Die Ambulanz am Nachmittag. Ein Vielerlei an Mühen und Krankheit, aber hin und wieder auch eine Freude für den, der genau hinschaut, hört, denkt...
In der nachmittäglichen Ambulanz stellt sich ein hochgewachsener alter Mann vor, hager, knorrrig und sehnig wie eine vom heissen Wind gedörrte Buschakazie. Er trägt ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift "Stop violence against women“ und eine schwarze Hose, auf deren Hosenboden mit fein säuberlichen, weissen Stichen ein dreieckiger Ausriss geflickt ist sowie die gängigen Recyclingsandalen in mindestens Grösse 56. Gefragt, was sein Anliegen sei, holt er mit den langen Armen aus, beschreibt weite, anmutige Kreise, blickt schmunzelnd nach oben, ahmt das Summen einer Hummel nach. Der Übersetzer lacht und fragt etwas in der Sprache des Alten. Dieser beschreibt nun mit dem ganzen Oberkörper Bögen, lässt wiederum die Arme ihren Tanz aufführen und gurrt dazu wie eine Taube. Der Übersetzer beginnt zu kichern. Der Patient strahlt mich an, tausend Lachfältchen durchziehen das ausdrucksvolle Gesicht. Habe ich da einen Intellektuellen in Schwarz vor mir? Einen Laienschauspieler? Das Auftreten des Patienten könnte auf jede Volksbühne passen, und wer weiss, in anderem Kontext….?
Ich frage nach den Ergebnissen der Unterhaltung. Die Knie schmerzten den alten Herrn, sagt der Übersetzer, und zwar, seit er lebhaft geträumt habe in der Nacht. Die Untersuchung zeigt keine schwerwiegenden Störungen und ich erfahre, er habe das Problem schon einmal gehabt, und da sei’s auch wieder von selbst gut geworden. Insofern überwiegt hier der Unterhaltungswert den ärztlichen Arbeitsaufwand.