Im OPD, dem Out Patient Department, der Notaufnahme also, stellt sich eine Vielzahl von Patienten vor. Das Spektrum an Beschwerden reicht von schwerkrank über leichte Unpässlichkeit bis unergründlich. Eine müde Ärztin hat zuweilen auch mit ihrer eigenen Voreingenommenheit zu kämpfen....
Ein Lehrer stellt sich in der Notaufnahme vor. Es ist bereits eine halbe Stunde nach Dienstschluss und er ist der erste von den restlichen 13 Patienten, die auch noch darauf warten, gesehen zu werden. Vor zwei Wochen ist er nach einer Blinddarmoperation entlassen worden. Alles ist gut verheilt, die Narbe sauber, der Mann in gutem Zustand. Weswegen er denn heute komme? Er hätte gerne eine Krankschreibung für zwei Monate. Die Ärztin, leider nicht frei von Vorurteilen, dazu nicht mehr ganz so frisch, wie am Morgen und dazu hungrig, denkt: aha, typisch afrikanischer Mann. Will sich einen sonnigen Lenz machen, auch wenn es ihm gut geht, während die Frauen üblicherweise, auch wenn sie krank oder hochschwanger sind, arbeiten müssen. Die Ärztin sagt, es tue ihr leid, sie könne wohl noch zwei Wochen Krankschreibung empfehlen, aber er habe ja einen Beruf, wo man die körperliche Belastung gering halten könne und nicht schwer heben müsse.
Das sei richtig, erklärt der Lehrer, aber er müsse mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und das sei nun doch zu schwer. Die Ärztin meint sich in ihrem ersten Eindruck bestätigt und erklärt, dass Fahrradfahren die Bauchmuskeln nicht belaste. Nein, sie könne ihn nicht für zwei Monate krankschreiben. Andererseits, was weiß die Ärztin über die Familienverhältnisse des Mannes? Muss er noch ein Feld bestellen? Gibt es wichtige familiäre Angelegenheiten? Anderes, das so nicht auszusprechen ist? Aber auch nach Auseinandersortieren von Vorurteilen und eventuellen, nicht erwähnten Gründen ist der Zeitraum nicht gerechtfertigt, so lange es nur um die gut überstandene Blinddarmoperation geht. Mit traurigem Gesichtsausdruck blickt der Lehrer vor sich hin. Sie ahnt, er wird so lange diskutieren wollen, bis er hat, was er will. Sie denkt an die Warteschlange draußen. Nein, wirklich, es sei nicht möglich. Der Lehrer geht, er ist deutlich verärgert.
Der nächste Patient ist ein magerer alter Mann, der in regelmäßigen Abständen geräuschvoll in der Tiefe seiner Lunge grollend hustet und blutiges Sputum in eine mitgebrachte Plastikdose spuckt. Sein Sohn erklärt, der Vater habe vor zwei Wochen einen Zahn gezogen bekommen, es blute noch. Die Ärztin öffnet das Fenster, um den Frischluftgehalt in dem winzigen Räumchen zu erhöhen (eine nicht zu vernachlässigende Prophylaxe bei Tuberkulose-Verdacht) und schaut mit der Leuchte in den Mund. Hier und da Blutspuren, ob nun vom gezogenen Zahn oder von der Wunde hinten im Rachen? Auch der Student schaut in den Mund, sich hierhin und dorthin beugend, um besser zu sehen. Der Patient hat ein reichhaltiges Sortiment an Röntgenbildern des Gesichtsschädels mitgebracht, aber keines von der Lunge. Tbc? Könnte schon sein, meint der Sohn. Der Patient wird umgehend in die Röntgenabteilung geschickt.
Nun stellt sich eine Frau mit Brusttumor vor, die Geschwulst hat die linke Brust beständig vergrössert, sodass diese jetzt als schwere Last bis zum Bauchnabel hängt. Erfreulicherweise ist der Tumor nicht mit der Brustwand verwachsen und keine Lymphknoten sind tastbar. Vielleicht ist er nicht bösartig? Wir planen die Operation. Eine Gewebsuntersuchung wird erst nach schnellstens 6 Wochen ein Ergebnis bringen, vielleicht auch erst nach 3 Monaten.
Dann wartet noch eine Mutter mit 6-jähriger Tochter: das Hölzchen im Ohr zum Ohrlochstechen hat einen Abszess verursacht. Und es warten drei Patienten mit Leistenbruch. Und eine Lady mit alter Schnittwunde am Bein. Und eine sehr würdevolle ältere Dame mit Bauchbeschwerden. Und und.
Das Mittagessen ist noch ein ganzes Stück weit entfernt.