Genitale Piercings haben in den letzten Jahren an Popularität gewonnen: 1-3% aller Erwachsenen sollen derartigen Intimschmuck tragen. Daher wird auch der Urologe immer häufiger mit diesem Phänomen und seinen Folgen konfrontiert.
Die eingeborenen Stämme Borneos und der Philippinen sollen die Erfinder des Apallang sein, einen oberhalb der Harnröhre quer durch die Glans verlaufenden Piercings, dessen Ursprung unbekannt ist. Möglicherweise lag der Wunsch nach einer Penisvergrößerung mit dem Ziel zugrunde, die Partnerin stärker sexuell zu stimulieren. Doch während in diesen Ländern im Zuge christlicher und muslimischer Missionierung die Praxis des Intimpiercings zurückgegangen ist, hat dessen Popularität in der westlichen Zivilisation zugenommen und ist längst keine kulturelle Randerscheinung mehr.
Die persönlichen Gründe, sich piercen zu lassen, sind vielfältig: Der Wunsch nach sexueller Befriedigung und Einzigartigkeit gehören wohl zu den häufigsten. Mit zunehmender Verbreitung wurde die Technik in den vergangenen Jahren auch sicherer, zumal das Bewusstsein der Kunden über die Risiken geschärft wurde. Im Mittel sind die Kunden 28 Jahre alt und haben sich häufig ein Jahr oder sogar länger mit ihrer Entscheidung Zeit gelassen.
Nichtsdestotrotz treten immer wieder Komplikationen auf, angefangen mit Infektionen, Blutungen, allergischen Reaktionen und Nervenverletzungen über Narbenbildungen (z.B. Urethrastrikturen), sexuellen Missempfindungen, Ausreißen des Piercings oder Harnröhrenperforationen (z.B. durch Durchwanderung) bis hin zur Fournier-Gangrän und in seltenen Fällen Plattenepithelkarzinomen. Es wird geschätzt, dass die kumulative Komplikationsrate von Intim- und Brustwarzenpiercings bei bis zu 10-15% liegt. Leider wird bei Auftreten von Problemen häufiger erst der Piercer, das Internet, der Rat von Freunden oder der "gesunde Menschenverstand" konsultiert, bevor der Arzt aufgesucht wird.
Gründe hierfür sind wahrscheinlich falsch verstandene Scham, Zweifel an der Fachkompetenz des Mediziners auf diesem speziellen Gebiet, der Wunsch, das Piercing nicht entfernen zu müssen, sowie Angst vor Vorwürfen.
Tatsächlich kann es bei einem infizierten Piercing sinnvoller sein, dieses in situ zu belassen, da es wie eine Art Drainage funktionieren kann. Auch kann eine lokale Entzündung ohne eitrige Sekretion schwer von einer Allergie zu unterscheiden sein. Trotzdem kann es hilfreich sein, sich als Arzt mit den üblichsten Verschlussmechanismen von Piercingschmuck auszukennen, um ihn im Notfall nicht zwangsläufig zerstören zu müssen. Doch auch vor ärztlichen Eingriffen müssen Piercings nicht in jedem Fall entfernt werden, da der Kanal sich binnen Stunden, manchmal sogar schneller verschließen kann.
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