Im viert-größten Land der Welt, der VR China mit 9.598.060 km² und weit über 1 Milliarde Einwohnern, verschiedenen Volksstämmen, Ethnien, Regionen, Territorien, Landschaften (Europa 550 Mio. Einw.) die gesamte- und spezifische Mortalität auf scharf gewürzte Speisen und auf Chili herunterbrechen zu wollen, ist eine unfassbar einfältige Krankheits-epidemiologische Stümperei ersten Ranges:
Chinesen hätten einer angeblich prospektiven Beobachtungsstudie im British Medical Journal (BMJ 2015; 351: h3942) zu Folge mit scharf gewürzten Speisen (Chili u. ä.) ein niedrigeres Sterberisiko. Sie müssten dann allerdings auch strikt auf Alkohol verzichten. In Chilis ist die Schärfe Capsaicin bedingt. Das Fettsäureamid wirkt auf Schmerzrezeptoren der sensiblen Nervenzellen. Es soll antimikrobielle, antioxydative, entzündungs- und Krebs-hemmende Wirkungen haben. Ein Team von Liming Li et al. (Universität Peking) ist mit Probanden der Kadoorie Biobank dieser Fragestellung auf wissenschaftlich fragwürdige Weise und mit dubiosen Ergebnissen nachgegangen:
1. Weil diese Studie niemals „prospektiv“ war und ist [In the baseline questionnaire we asked the participants „During the past month, about how often did you eat hot spicy foods?“: never or almost never, only occasionally, 1 or 2 days a week, 3 to 5 days a week, or 6 or 7 days a week]. Denn als Ausgangspunkt diente ein einmaliger Fragebogen, in dem zwischen „2004 and 2008“ gefragt wurde, wie viel die Teilnehmer/-innen im letzten Monat an scharf gewürzten Speisen gegessen hatten.
2. Das „Follow-up“ sich einzig und alleine auf die Gesamt-Mortalität und die krankheitsspezifische Mortalität (Krebs, ischämische Herzkrankheit, cerebrovaskuläre Krankheiten, Diabetes mellitus, Lungenkrankheiten, Infektionen und Sonstiges) bezog. Nach der Würzschärfe der Speisen wurde nie mehr wieder gefragt! [„Main outcome measures - Total and cause specific mortality.“]
3. Im prospektiven Verlauf von 3.500.004 Personenjahren im „follow-up“ von 2004 bis 2013 [„During 3 500 004 person years of follow-up between 2004 and 2013“] lediglich die gesamte und spezifische Mortalität erfasst wurden. Aber ausschließlich mit einer einmalig vagen retrospektiven Erinnerung von Ernährungsgewohnheiten über einen einzigen vergangenen Monat zwischen 2004 und 2008 korreliert waren.
4. Niemand prospektiv vorausschauend die Zukunft seiner folgenden Ernährungsgewohnheiten exakt angeben kann. Die meisten Menschen können sich nur vage erinnern, was sie tatsächlich und vor allem wie stark gewürzt sie etwas auch nur vorletzte Woche zu sich genommen haben.
Die chinesische Studie hinterfragt nicht einmal, ob in den Höhenlagen von Tibet, wo selbst die Eisenbahnlinie 4.000 Höhenmeter erreicht, Chili o. ä. überhaupt erworben werden können? Sie fragt nicht, ob am südchinesischen Meer nicht eher mehr Fisch gegessen wird? Ob im kühlen Norden und in den hohen Gebirgsketten im Süden Chinas Chili überhaupt gedeihen und wachsen bzw. geerntet werden kann?
Und, „last but not least“, die chinesische Forschergruppe fragt in ihrer dilettantischen BMJ-Publikation nicht ein einziges Mal, ob weitgehend arme, unterprivilegierte, konsum- und bildungsferne chinesische Bevölkerungsschichten an scharf gewürzte Speisen überhaupt denken, geschweige denn diese kaufen und konsumieren können?
Das ist doch das übereinstimmend konsentierte Ergebnis globaler Krankheits-epidemiologischer Untersuchungen: Gerade diese letztgenannten Bevölkerungsgruppen haben weltweit eine überhöhte gesamte- und spezifische Mortalität - Weil Du arm bist, musst Du früher sterben!
Quellen:
Abstract der Studie im BMJ
Originalfassung: http://www.bmj.com/content/351/bmj.h3942
„Consumption of spicy foods and total and cause specific mortality: population based cohort study“
BMJ 2015; 351 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.h3942 (Published 04 August 2015) Cite this as: BMJ 2015;351:h3942
Bildquelle (Außenseite): Gavin Anderson, flickr