Nicht mehr als 5 Gramm Salz sollte man täglich verzehren, sagt die WHO. Das schaffen über 70 Prozent der Deutschen nicht. Dabei kann zuviel Salz nicht nur den Blutdruck erhöhen und Ödeme verursachen. Welche Erkrankungen werden durch übermäßigen Konsum noch begünstigt?
Zu viel Salz verdoppelt das Risiko, eine Herzschwäche zu entwickeln. Eine finnische Studie soll diesen Zusammenhang zwischen Salzkonsum und Herzinsuffizienz belegt haben: Die Wissenschaftler schlossen mehr als 4.630 Erwachsene im Alter zwischen 25 und 64 Jahren über einen Zeitraum von durchschnittlich 12 Jahren in ihre Studie ein und verglichen ihre Ernährungsgewohnheiten in Korrelation mit Herzerkrankungen. Professor Pekka Jousilahti vom National Institute for Health and Welfare in Helsinki kommentiert: „Das Herz mag kein Salz. Eine hohe Salzaufnahme erhöht das Risiko einer Herzinsuffizienz deutlich. Dass Natriumchlorid den Blutdruck steigern kann, ist bekannt. Hypertonie ist ein eigenständiger Risikofaktor für Herzinsuffizienz.“
Ein Ergebnis der Studie sei aber, dass die Erhöhung des Herzinsuffizienzrisikos unabhängig vom Blutdruck ist. Herzinsuffizienz würde nicht selten verharmlost, so Jousilahti weiter. „Die Studienautoren machen darauf aufmerksam, dass diese Erkrankung die Hauptursache für eine Klinikeinweisung bei Rentnern ist. Etwa die Hälfte der Patienten stirbt fünf Jahre nach der Diagnose.“ Die WHO empfiehlt, maximal 5 g Kochsalz pro Tag zu sich zu nehmen. In der Realität liegt der Wert meist deutlich höher. In der Studie wurden bis zu 15 g pro Tag verzehrt. „Menschen, die täglich mehr als 13,7 Gramm Salz zu sich nahmen, hatten ein doppelt so hohes Risiko für Herzinsuffizienz als Menschen, die weniger als 6,8 Gramm zu sich nahmen“, so ein Ergebnis der Studie.
Bereits in der Jugend kann ein zu hoher Salzkonsum über die Prävalenz von zerebralen und kardialen Erkrankungen im späteren Lebensalter entscheiden. Forscher des Cincinnati Children's Hospital in den USA schlossen 775 Teilnehmer in ihre Studie ein und analysierten deren Salzkonsum, die Elastizität ihrer Brachialarterie und die Pulswellengeschwindigkeit (PWV). Die Ergebnisse zeigten, dass eine höhere durchschnittliche tägliche Natriumzufuhr mit einer höheren arteriellen Gefäßsteifigkeit und einer höheren PWV verbunden war. Arterielle Steifigkeit ist ein bekannter Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall bei Erwachsenen. „Es ist klar, dass Jugendliche und junge Erwachsene mehr Salz als empfohlen aufnehmen. Unsere Studie legt nahe, dass dies zu Veränderungen im Körper führen kann, die ein höheres Risiko für künftige Herzinfarkte und Schlaganfälle mit sich bringen“, so das Resümee der Studienautoren.
„Schafen und Ziegen gibt man im Sommer Salz, damit sie fett werden“, sagte vor mehr als 2.000 Jahren Aristoteles. Inzwischen belegen Studien, dass auch beim Menschen ein Zusammenhang zwischen dem Salzkonsum und Adipositas besteht. Die Daten von insgesamt 458 Kindern und 785 Erwachsenen, die am Rolling-Programm des UK National Diet and Nutrition Survey (NDNS) teilgenommen haben, wurden zur Bewertung der Energieaufnahme und des Salzverbrauchs analysiert. Die Ergebnisse zeigten einen signifikanten Zusammenhang zwischen Salzaufnahme und BMI, Taillenumfang und Körperfettmasse – unabhängig von der Gesamtenergieaufnahme und dem zuckergesüßten Getränkekonsum. Die Gründe für diese neuen Erkenntnisse sind noch unklar, aber es wird angenommen, dass sie mit Veränderungen im Körperfettstoffwechsel zusammenhängen. Ein Anstieg der Salzzufuhr um 1 g/Tag war mit einem erhöhten Risiko von Übergewicht oder Fettleibigkeit bei Kindern um 28 Prozent und bei Erwachsenen um 26 Prozent verbunden. Professor Graham MacGregor, Professor für Kardiovaskuläre Medizin an der Queen Mary University of London und Vorsitzender der Consensus Action on Salt & Health, warnt daher: „Die Lebensmittel, die wir essen, sind durch ihren hohen Salz-, Fett- und Zuckergehalt die Hauptursache für Krankheiten wie Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Herzinfarkt und Herzinsuffizienz.“
Eine schwedische Studie von Dr. Rasouli et al. vom Stockholmer Institute of Environmental Medicine (IMM) untersuchte die Verbindung zwischen Natriumkonsum und Diabetes Typ 2 und Typ 1. In Kochsalz beträgt der Natriumgehalt 40 Prozent. Die Probanden wurden in drei Gruppen eingeteilt:
Pro Gramm extra verzehrten Natriums (also pro 2,5 Gramm Salz) stieg das Typ-2-Diabetes-Risiko um 43 Prozent und das Risiko einer um 73 Prozent. Menschen, die mehr als 7,3 g Salz pro Tag konsumierten, wiesen ein um 72 Prozent erhöhtes Risiko auf, verglichen mit denen, die weniger als 6 g Salz konsumierten. Offenbar kann sich bei hohem Salzkonsum auch viel eher eine latente Autoimmundiabetes, der sog. LADA. Dabei handelt es sich um einen verzögert auftretenden, autoimmunbedingten Typ-1-Diabetes in der Altersgruppe zwischen 40 und 60. „Wir bestätigen einen Zusammenhang zwischen Natriumzufuhr und Diabetes insbesondere bei Trägern von HLA-Genotypen mit hohem Risiko“, sagte Hauptautor Bahareh Rasouli. Menschen mit bestimmten HLA-Genotypen (Human Leukocyte Antigen) haben ein erhöhtes Risiko an Diabetes zu erkranken. Wenn diese Hochrisiko-Patienten auch noch viel Natrium aufnahmen (über 3,15 g/Tag), entwickelten sie fast viermal häufiger LADA als diejenigen, die unter 2,4 g/Tag konsumierten.
Einen hohen Natriumgehalt weist zum Beispiel auch fermentierter Kohl auf, sogennanter Kimchi. Ähnlich wie Sauerkraut werden dabei Kohl und andere Gemüsesorten zur Haltbarmachung einer Milchsäuregärung unterzogen. Durch zusätzliches Kochsalz wird das Wachstum der meisten schädlichen Mikroorganismen gehemmt und die Produktion nützlicher Organismen erleichtert. Der Korea-Kohl ist hip und gilt als gesund, trotz des hohen Natriumgehalts. Durch die Fermentation soll auch die mikrobiotische Flora im Darm saniert werden. Eine Studie von Song et al. hat deswegen untersucht, ob sich der Verzehr von Kimchi gesundheitlich auch negativ auswirken kann. Die Daten stammen aus der koreanischen Genom- und Epidemiologie-Studie, einer Kohortenstudie, die 2001 gestartet wurde. Insgesamt wurden 5.932 Teilnehmer einbezogen. Die tägliche Energie- und Nährstoffzufuhr sowie die Aufnahme von Kimchi wurden mit Hilfe eines halb-quantitativen Fragebogens bewertet. Von den 5.932 Teilnehmern entwickelten 1.798 (905 Männer, 893 Frauen) während der 12-jährigen Nachbeobachtungszeit eine Hypertonie. Ziel der Studie war auch, zu untersuchen, ob der hohe Salzgehalt im Kimchi eine Auswirkung auf den Blutdruck hat. Nur bei übergewichtigen männlichen Probanden war ein signifikanter Blutdruckanstieg in Verbindung mit Kimchi festzustellen. Die Ergebnisse sind aufgrund ihres Studiendesigns aber mit Vorsicht zu genießen. Eine tierexperimentelle Studie fand heraus, dass natriumarmes Kimchi den Blutdruck nicht beeinflusst, Kimchi mit einem hohem Natriumchloridanteil aber schon.
Bei der Risikobewertung von Mikronährstoffen ergibt sich grundsätzlich das Problem, dass die Nahrung nicht standardisiert ist, zahlreiche Einflussfaktoren die Analyse verfälschen können und die Probanden oft unzureichend über Angabe der Inhaltstoffe informiert sind. Das IOM-Komitee (Institute of Medicine) empfahl, eine Studie zur diätetischen Natriumreduktion in einer kontrollierten Umgebung durchzuführen. US-Forscher um Daniel Jones von der University of Mississippi School of Medicine planen, endgültig zu klären, ob zuviel Salz in der täglichen Nahrung schädlich ist. In ihrer geplanten Studie ist zu gewährleisten, dass mehrere Tausend Menschen über Jahre hinweg nicht mehr als 2.300 Milligramm Salz zu sich nehmen. Es gibt nur wenige Settings, bei denen die Probanden und ihre Ernährung lückenlos überwacht werden können. Heiminsassen scheiden wegen des fortgeschrittenen Alters aus, Angehörige der Bundeswehr wegen des meist jungen Alters und ihres oft guten Trainingszustandes. Das Forscherteam sieht Häftlinge als ideale Probandengruppe an. Eine Studie in einer Strafvollzugspopulation durchzuführen ist allerdings problematisch. Es soll den einzelnen Häftlingen überlassen werden, ob sie mitmachen und ihre Gesundheitsdaten freigeben. Selbst wenn die Studie zustande kommt, kann nicht hunderprozentig überprüft werden, ob Häftlinge nicht beispielsweise ihre Essen untereinader tauschen. Eine strenge und permanente Überwachung wäre notwendig. Auch wie gut sich Daten von Insassen auf die Allgemeinbevölkerung übertragen lassen, ist fraglich, denn die zu untersuchende Population ist beispielsweise größtenteils männlich. Trotz aller Diskussion um die Schädlichkeit von Kochsalz darf auch nicht der gustatorische Nutzen vergessen werden. Verbannen muss man das Gewürz nicht. Es reicht, die empfohlene Tagesdosis nicht zu überschreiten. Denn ohne Salz wäre unser Essen fade.