Urologen empfehlen gerne – insbesondere Patienten, die an einer Urolithiasis leiden –, reichlich zu trinken. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät dazu, täglich mindestens eineinhalb Liter zu sich zu nehmen. Doch kann man auch zu viel trinken?
Ein Ernährungstipp, der sich in den Köpfen vieler Leute festgesetzt hat, ist die generelle Empfehlung, man solle – nicht nur in der heißen Jahreszeit – so viel wie möglich trinken. Regelmäßig und am besten Wasser. Die tägliche Trinkmenge sollte laut DGE 1,0 Liter nicht unterschreiten, besser sind 1,5 Liter sowie bei warmen Temperaturen und/oder körperlich anstrengenden Tätigkeiten wie Sport, die zu einem Flüssigkeitsverlust durch schwitzen führen, zusätzlich 0,5 bis 1,0 Liter pro Stunde intensiver Betätigung. Idealerweise noch, bevor man Durst verspürt, denn dann sei der Mangel schon eingetreten. Zuviel könne man gewissermaßen nicht trinken, da der gesunde Körper nicht benötigte Flüssigkeit einfach wieder ausscheiden würde. Und so sieht man allenthalben Menschen, die in jeder Situation eine Wasserflasche mit sich herum tragen und fleißig trinken.
Aber stimmt das alles uneingeschränkt? Ist Durst nicht ein sinnvolles physiologisches Signal unseres Körpers?
Aus Urologensicht fallen mir zu diesem Thema zuerst drei Gesichtspunkte ein:
1. Patienten, die zu einer Harnsteinbildung neigen, können ihr Risiko, erneut zu erkranken, dadurch senken, dass sie durch die Trinkmenge eine Urinproduktion von etwa 1,5 Litern anstreben. Dadurch können die Salze, die zur Kristallisation und somit zur Steinentstehung führen, in Lösung bleiben und werden ausgeschieden. Also eine sinnvolle Empfehlung in Sinne der Metaphylaxe.
2. Es kommt immer wieder vor, dass sich – vor allem jüngere – Patient(inn)en vorstellen, die über eine die Lebensqualität beeinträchtigende Pollakisurie und gegebenenfalls auch Nykturie klagen und nach ärztlicher Hilfe suchen. Ein hilfreiches Diagnostikum kann in solchen Fällen ein Trink- und Miktionsprotokoll sein. Schon häufiger habe ich dabei festgestellt, dass diese Patient(inn)en auf eine Trinkmenge von 3,0 Litern oder sogar mehr pro Tag kamen. Da diese Flüssigkeitsmengen irgendwo hin müssen, ist es kein Wunder, dass sie stündlich zur Toilette rennen müssen. Maßvoller zu trinken, führt dann quasi zur Spontanheilung.
3. Bei älteren Menschen ist das Durstempfinden häufig gestört, sodass diese aus eigenem Antrieb tatsächlich zu wenig trinken.
Ansonsten halte ich die Empfehlungen der DGE für nicht ungefährlich, da man sehr wohl zu viel trinken kann. Wer übermäßige Mengen mineralarmes Wasser zu sich nimmt, kann eine hyponatriäme Hyperhydratation entwickeln, die im Extremfall sogar zu einem Hirnödem führen kann. So kam es beim Ironman-Triathlon in Frankfurt in diesem Jahr zu einem tödlichen Zwischenfall, bei dem ein 30-jähriger Sportler drei Tage nach dem Wettkampf starb, weil er zu viel natriumarmes Leitungswasser getrunken und gleichzeitig durch extremes Schwitzen viel Natrium verloren hatte.
Durst ist ein essentielles Signal unseres Körpers und ein zuverlässiger Indikator dafür, dass wir Flüssigkeit brauchen. Im Regelfall können wir darauf hören. Vorbeugendes Trinken ist meistens überflüssig.
Abbildung: Snowacinesy / Wikipedia