Eine aktuelle Studie belegt, dass g-Strophanthin in in-vitro und in-vivo Studien an Meerschweinchen als Antidote bei Digoxin-Vergiftung wirkt. Damit wird erneut bestätigt, dass Strophanthin ein von Digoxin deutlich verschiedenes Wirkprofil besitzt.
Nach Einführung von Strophoral, einem oral zu verabreichenden Präparat mit dem Wirkstoff g-Strophanthin (englisches Synonym: Ouabain) 1949 durch Boehringer Mannheim entbrannte in der medizinischen Fachwelt ein intensiver Streit. Gegenstand der Auseinandersetzungen waren die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs nach oraler Verabreichung und die Abgrenzungen der Indikationsgebiete zwischen Strophanthin und Digitalis-Glykosiden. Der Streit um die orale Bioverfügbarkeit basierte auf dem heute als falsch erkannten Dogma der absoluten Bioverfügbarkeit, welches dennoch dazu geführt hat, dass der falsche Befund, Strophanthin sei oral verabreicht wegen zu geringer Bioverfügbarkeit nicht einsetzbar, auch heute noch in den Lehrbüchern zu finden ist.
Die Pioniere der intravenösen Strophanthintherapie Albert Fränkel, Heidelberg, und Ernst Edens, Düsseldorf, hatten deutliche Unterschiede zwischen Strophanthin und Digitalis beobachtet. Digitalis war besonders gut geeignet für die Behandlung von Tachykardie, eine Indikation, in der Strophanthin nur geringe Wirkung zeigt. Für Strophanthin hatte Edens deutliche Vorteile in der Behandlung von ischämischen Erkrankungen wie Angina Pectoris herausgearbeitet, eine Indikation, in der Digitalis kontraindiziert ist. Die Kritiker der oralen Strophanthintherapie führten die beschriebenen Unterschiede von Digitalis und Strophanthin darauf zurück, dass Edens und Fränkel ihre Ergebnisse mit Digitalis-Extrakten und nicht mit reinem Wirkstoff erzielt hatten. Mit der Verwendung von neuen Präparaten auf Basis reiner Wirkstoffe seien keine Unterschiede mehr vorhanden. Strophanthin und Digitalis hätten ein identisches Wirkungsspektrum und seien in der Therapie austauschbar. Einzig verbliebener Unterschied sei der schnelle Wirkungseintritt und eine geringe Akkumulationsneigung bei Strophanthin.
Demgegenüber verwiesen die Befürworter der Strophanthintherapie auf langjährige praktische Erfahrung mit Strophanthin, in der deutliche Unterschiede zwischen Digitalis und Strophanthin beobachtet wurden. Aufgrund seines sehr engen therapeutischen Fensters ist es bei Behandlungen mit Digitalis immer wieder zu massiven Nebenwirkungen gekommen, welche erfolgreich mit Strophanthin behandelt werden konnten. In einer aktuellen in-vitro und in-vivo Studie an Meerschweinchen hat eine Arbeitsgruppe um David Lichtstein, Hebrew University, Jerusalem, nun zeigen können, dass g-Stophanthin in der Tat durch Digoxin verursachte Kardiotoxizität verhindert [1]. Diese Schutzwirkung wird nur bei niedriger Strophanthindosierung (91 ng·kg-1·h-1) beobachtet, bei höheren Dosierungen (182 ng·kg-1·h-1) tritt dieser Effekt nicht auf. Mechanistische Untersuchungen deuten darauf hin, dass durch Strophanthin induzierte Signalübertragungswege - insbesondere über die Phosphoinositid-3-Kinase – beteiligt sind.
Diese Studie ergänzt eine Reihe von anderen Arbeiten, in denen gegensätzliche Effekte von Strophanthin und Digoxin nachgewiesen wurden [1-3]. Es gilt heute als gesichert, dass Strophanthin ein von Digoxin deutlich verschiedenes Wirkprofil besitzt [4]. Digoxin hat eine ausgeprägt positiv inotrope Wirkung. Die Modulation des autonomen Nervensystems ist nur schwach ausgeprägt. Strophanthin hingegen hat eine nur sehr schwach ausgeprägte positiv inotrope Wirkung. Es dominiert die Modulation des autonomen Nervensystems. Vagomimetische und sympathoinhibitorische Effekte bestimmen seine therapeutische Wirkung.
Literatur
[1] Nesher M, Shpolansky U, Viola N, Dvela M, Buzaglo N, Cohen Ben-Ami H, Rosen H, Lichtstein D. Ouabain attenuates other cardiac steroid-induced cardiotoxicity. Br J Pharmacol 2010; 160: 346–354.
[2] Dvela M, Rosen H, Feldmann T, Nesher M, Lichtstein D. Diverse biological responses to different cardiotonic steroids. Pathophysiology 2007;14: 159–166.
[3] Fuerstenwerth H. On the differences between ouabain and digitalis glycosides. Am J Ther. 2014 Jan-Feb;21(1):35-42. doi: 10.1097/MJT.0b013e318217a609.
[4] Fürstenwerth H. Rethinking heart failure. Cardiol Res. 2012;3(6):243-257. http://www.cardiologyres.org/index.php/Cardiologyres/article/view/228/229