Der 10. Oktober eines jeden Jahres soll der „Welttag für Seelische Gesundheit“ [World Mental Health Day] sein. Dies fordert die World Federation for Mental Health in Zusammenarbeit mit der WHO. Warum sich unsere seelisch kranken Patientinnen und Patienten an diesem „Gesundheitstag“ vielleicht trotzdem allein gelassen fühlen, bleibt das Geheimnis der Veranstalter.
Kontraproduktiv ist jedoch, dass es andernorts heißt, der 10. Oktober sei der „Internationale Tag der Optimisten“. Oder schlimmer noch: Der 10.10. sei der „Internationale Welt-Hunde-Tag“ bzw. zugleich auch noch der „Welt-Tag gegen die Todesstrafe“.
Eine der häufigsten krankhaften Beeinträchtigung seelischer Gesundheit sind die Depression, speziell die Depressionen im Alter. Diese Erkenntnis sollte nicht durch beliebig-inflationäre „Welt-Tage“ verwässert werden. Denn in der Tat sind die Altersdepression, die senile Involutionsdepression, die Melancholie, der „Trübsinn“, die Trauer, die negative Lebensbilanz, der Alterssuizid und die allgemeine Lebensperspektive der Älteren in der geriatrisch-hausärztlichen Sprechstunde oder bei Heim- und Hausbesuchen ein eminent wichtiges Thema.
Die Experten-Schätzung, jeder Zehnte über 70 Jahren sei von einer klinisch manifesten Depression betroffen, scheint für den hausärztlichen Alltag viel zu optimistisch. Nicht nur sozialer Rückzug, fehlende Lebensfreude, dysphorische Verstimmung mit Traurigkeit oder Antriebslosigkeit sind kennzeichnend. Sondern auch die soziale Lage mit oft geringer Rente, ungünstigem Wohn- und Umweltmilieu, häusliche bzw. „Heim“-liche Deprivation, falsche oder eintönige Ernährungs-, Bewegungs- und Sozial-Verhaltensmuster. Auch die Unfähigkeit, etwas zu genießen oder sich etwas zu gönnen, sind mit entscheidend für das eher niederdrückende subjektive und objektive Lebensgefühl.
Verlust der familiär-sozialen Beziehungs- und Bezugsgruppe, Wegsterben der Altersgenossen, Teilhabeminderung durch Krankheit, Schmerzen, Handicaps, und allgemeine Bewegungs- und Belastbarkeitseinschränkungen kommen noch hinzu. Hilfsmittel, die den Aktions- und Erlebnisradius erweitern könnten (zum Beispiel E-Fahrrad, Personenaufzug, Treppenlift, Rollstuhl ohne medizinische Verordnungsmöglichkeit, Senioren-Taxi etc.) sind nicht immer verfügbar.
Für meinen Praxisalltag ist die „gender“-spezifische emotional-kommunikative Kompetenz bei Männern und Frauen äußerst wichtig. Im Alter und mit zunehmendem Starrsinn spitzen sich sozialpsychologisch bekannte, intra- und interpersonelle Bewältigungsstrategien [Coping Strategies] zu. Diese sind kulturell geprägt und im Gegensatz zum Tierreich durch stammes- bzw. landsmannschaftliches, geschichtlich entwickeltes Denken, Fühlen, Wollen und Handeln bzw. basale Kulturtechniken gekennzeichnet.
Und damit scheitern die Männer in zunehmendem Alter leider oft auf der ganzen Linie. Weibliches „Social Coping“ versus männliches „Physical Coping“ stellt den Zusammenhang zwischen schwierigeren Lebensentwürfen und deren Realisationen im höheren Lebensalter bzw. dem Abgleiten in eine ärztlich-psychotherapeutisch behandlungsbedürftige Altersdepression her.
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