Kennt ihr schon Amerikas meistgehassten Mann momentan? Martin Shkreli. Was hat er getan um zu dieser zweifelhaften Ehre zu kommen?
Nun, Shkreli ist so ziemlich all das, was man der „Big Pharma“ vorwirft. Ganz offensichtlich nicht an der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Menschen interessiert, sondern nur an seinem Gewinn. Eigentlich müsste man ihm fast dankbar sein, hat er doch einer fast gängigen Praxis ein Gesicht gegeben.
Ich habe hier auf dem Blog schon von ähnlichen Fällen berichtet. Siehe hier: Patent übernehmen und Preise erhöhen oder hier: Preisgestaltungsunterschiede. Die Kurzfassung: Man hat ein Medikament, dessen Patent verfällt, es folgen Generika und Preisverfall. Irgendwann kommt es so weit, dass manche Generika wieder aus dem Handel genommen werden, da es sich nicht mehr lohnt, sie herzustellen und zu vertreiben. Und wenn es dann nur noch ein einziges Mittel davon auf dem Markt gibt, dann geht der Preis wieder nach oben – und wie!
Martin Shkreli heißt – wenn man dem Internet glauben will – Amerikas momentan meistgehasster Mann. (Bild von seinem Twitter Account: twitter.com/MartinShkreli/media).
Martin Shkreli ist der CEO von Turing Pharmaceuticals. Einer Pharmafirma, die er selber ins Leben gerufen hat. Die Firma hat die Rechte Daraprim® erworben, einem Medikament das Pyrimethamin enthält. Den Wirkstoff gibt es schon seit 62 Jahren, er ist schon lange über das Patent hinaus. Theoretisch könnte jeder ein Medikament mit diesem Wirkstoff auf den Markt bringen, aber das lohnt sich nicht.
Grund: Das Mittel wird zur Behandlung von Toxoplasmose, Malaria und Aids eingesetzt, aber nur bei speziellen Formen. Es ist – weil es wenig Patienten dafür gibt – ein sogenanntes Orphan Drug. So nennt man die Medikamente zur Behandlung von seltenen Krankheiten.
Vor der Übernahme kostete das Medikament pro Tablette 13,50 Dollar. Shrkreli erhöhte den Preis in den USA auf 750 Dollar pro Tablette. Eine Steigerung von 5455 Prozent. In der Schweiz gibt es Daraprim® übrigens auch. Der Preis liegt bei ungefähr 13 Franken pro Packung (30 Stück). In anderen Ländern mag das noch niedriger sein.
Da das Medikament auf dem Markt das einzige mit diesem Wirkstoff in den USA ist (die anderen sind mangels Rentabilität nicht mehr im Handel) und die Preise rein von den Pharmafirmen festgesetzt werden – ohne dass, wie bei uns zum Beispiel die Politik ein Mitspracherecht hat – bleibt den Kranken (respektive den Krankenkassen, so vorhanden) also nichts anderes übrig, als den neuen horrenden Preis zu bezahlen. Zumindest bis es vielleicht eine andere Firma schafft, ihre Produktion umzustellen, den Wirkstoff zu synthethisieren, Tabletten daraus zu pressen und eine Zulassung dafür zu bekommen. Das alles ist zeit- und kostenintensiv, wenn es denn überhaupt jemand auf sich nimmt. Und bis dahin profitiert Turing Pharmaceuticals: Kapitalismus in Reinform.
Inzwischen hat sich übrigens verschiedentlichst Widerstand gegen Turing Pharmaceuticals und Shkreligeregt – bei der Bevölkerung und auf politischer Ebene. Shkreli musste sogar Leute einstellen, um mit dem Shitstorm, den seine Aktion ausgelöst hat, fertigzuwerden und das Ansehen der Firma wieder etwas zu festigen. Inzwischen ist er von seiner „Weil ich's kann“ – Haltung zurückgekrebst und sagt, er wolle mit seinem Umsatz die Forschung von neuen Medikamenten gegen Toxoplasmose finanzieren (Beweise bitte?). Außerdem wolle er einen Teil vom Daraprim® auch zu günstigeren Preisen abgeben und schließlich, habe er vor mit dem Preis wieder runterzugehen, allerdings nicht auf den ursprünglichen Preis.
Von Apothekerseite wurde inzwischen eine interessante Lösung gefunden. Eine sogenannte compounding pharmacy (also eine Apotheke, die Medikamente aus vorhandenen Medikamenten und Wirkstoffen für spezielle Bedürfnisse herstellt) stellt seit Oktober für einen Dollar pro Kapsel ein Medikament mit dem selben Wirkstoff her. Es enthält, da es sonst mit dem Patent von Daraprim® kollidiert, zusätzlich noch ein B-Vitamin. Dafür braucht man wahrscheinlich, wie bei uns ein spezielles Rezept vom Arzt, aber das zu besorgen ist einiges günstiger als das Original zu kaufen.
Medikamentenpreise – immer wieder gut für Diskussionen. Die Forschung braucht Geld. Das muss wieder reinkommen, ansonsten lohnt es sich irgendwann nicht mehr an der Entwicklung neuer Medikamente zu arbeiten. Deshalb sind neue Medikamente entsprechend teuer. Aber das hier! Das ist doch eine ganz andere Liga. Das ist nicht „Big Pharma“. Das ist ein kleiner, häßlicher, gieriger Mensch, den man nicht in eine derartige Machtposition gelangen lassen sollte.