An manchen Tagen gelingt allerlei. Dann ist die Welt auch hier rund und schön und die immer mal wieder vorkommenden Schräglagen treten ein wenig in den Hintergrund.
Dienstag, OP-Tag. Der einheimische chirurgische Kollege ist nicht da. Ich habe mir eine Liste von drei Patienten mit vier OPs zusamengestellt. Die erste ist eine Leisten-OP. Eine Dame, die – wie alle Frauen hier – ständig große Lasten trägt: Wasserkanister, Feuerholz, Kinder im Bauch, auf dem Rücken, auf dem Arm, etc. Ist einfach, überschaubar und geht flott.
Die zweite, bei der mir einer der Medizinstudenten assistieren will (auch, um ein bisschen Nähen zu lernen), erweist sich bereits beim Hautschnitt als Rezidivleistenbruch. Es folgt ein langwieriges Gebastel, weil die Strukturen durch Narbenstränge miteinander verbacken und teilweise auch nicht mehr gut erhalten sind. Aber auch das lässt sich zum Glück schaffen. Der Student näht eine Runde mit zittrigen Händen, aber es wird eine schöne Naht.
Dann kommt der Anästhesiepfleger vorbei, der dritte Patient sei nicht fit genug. Bei Nacht angekommen und deshalb heute noch nicht von mir gesehen, erweist sich der Nächste auf der Liste tatsächlich als nicht OP-fähig: ausgeprägte Schwäche, Rasseln im unteren Lungenbereich, Hb von 7. Wir verschieben, nicht inkarzeriert kann warten und die Wartezeit für die Tuberkulosediagnostik nutzen.
Kurz auf der Station vorbei, die Schwerkranken anschauen und dann Bohnen und Kohl zum Mittagessen. Am Nachmittag noch ein Häuflein Ambulanzpatienten, die mir von den CO’s übriggelassen wurden. Dann viel Zeit für Gespräche, da die CO’s zusammen mit den Studenten fleißig waren und alle Verbände und Wundversorgungen schon erledigt sind.
So kann ich mir eine übersetzende Schwester suchen und dann mit dem Patienten mit Darmtumor und seinem Bruder besprechen, ob er sich eine Überweisung leisten kann. Ebenso die Patientin mit Enddarmkarzinom, die hier von Bruder und Mann versorgt wird. Der Dreijährige, mit einem Loch im Darm, der gestern Abend um 8 Uhr noch zusammen mit der Diensthabenden operierte wurde, muss samt seiner Verordnungsliste angeschaut werden.
Dann ist noch Zeit bei den „Internisten“ vorbeizuschauen, um eine Patientin mit großer, TB-verdächtiger Lymphknotenschwellung in der Leiste vorzustellen. Die Kollegen von dort haben auch eine volle Station zu managen, sind aber immer interessiert, was die anderen zu bieten haben.
Gerade sind auch die Handwerker unterwegs, haben einen nicht mehr schließbaren Wasserhahn ausgetauscht und erneuern jetzt, perfekt und schön mit Schablonen und schwarzer Lackfarbe, die Bettnummern. Welcher Name einen Einlauf braucht, lässt sich nicht so leicht merken wie Bett 4 oder Bett 9. Schwierig wird’s allerdings, wenn sich zwei Patienten ein Bett teilen.
Die Schwestern sind am Kompressenfalten. Die in Rollen gelieferte Gaze wird zurechtgeschnitten und zu meist individuell gestalteten Quadraten gefaltet. Eine gemütliche Beschäftigung, die immer von fast jedem und überall durchgefürt wird und einen gewissen Gemeinschaftseffekt hat. Ich falte ein bisschen mit und bin Teil der Plauderrunde.
Ein Tag wie dieser fühlt sich freundlich an, obwohl nicht so ganz sicher ist, wie der Kollege reagieren wird, wenn er in zwei Wochen wiederkommt und ich Patienten, die er noch kannte, verlegt habe. Es ist nicht immer ganz klar, wer was entscheiden soll oder darf. Ich bin zwar zur Zeit die einzige Ärztin auf der Chirurgie, zusätzlich sind die CO’s vom Kollegen für die Station verantwortlich erklärt worden. Da sie jedoch Unterstützung bezüglich der Indikationsstellung zu Operationen brauchen und auch nicht operieren, bleibt noch genügend Arbeit für mich.
Allein die Begründung, dass ein Patient mit Verdacht auf Magentumor zwei Wochen auf das Wiederkommen des Kollegen warten soll, damit dieser die Biopsie macht, auf deren Ergebnis dann auch wieder einen Monat lang gewartet werden muss, scheint mir nicht sinnvoll, muss aber respektiert werden.
Wenn der Kollege dies so bestimmt hat, kann ich den Patienten nicht verlegen. Tue ich’s doch, folgt der übliche Vorwurf, man würde die Gegebenheiten des Landes nicht respektieren, die örtlichen Kollegen nicht ernst nehmen, sich nicht anpassen und dergleichen mehr. Also beschränke ich mich mit den Verlegungen auf die Patienten, die nach seinem Urlaubsantritt gekommen sind. Ob dieses Vorgehen patientenfreundlich ist, scheint mehr als fraglich, bedeutet aber respektvollen Umgang mit dem Kollegen. Immerhin.
Bildquelle (Außenseite): Alan Levine, flickr