Da war ich also der Arzt vom Dienst oder auch mit dem Dienst und trug das Diensthandy mit mir herum, auf dem ein Haufen Leute anriefen, die irgendetwas sagten wie beispielsweise: „Ähh, du Frau Zorgcooperations, wir vermisse einen unserer Patienten.“ „Ah“, dachte ich, „und warum ruft ihr jetzt mich an?“
Es stellte sich heraus, dass im Falle eines verloren gegangenen Patientens genaue Befehle auszuführen waren, die in den offiziellen Krankenhausanweisungen aufgeführt wurden. Sollte das Pflegepersonal den Patienten nicht mehr finden können, dann muss der Dienstarzt informiert werden und die Sache in die Hand nehmen. Ha! Das ist natürlich ein logischer Gedankengang. Schließlich hat der Dienstarzt mehrere Jahre studiert, ist deshalb um einiges schlauer als so eine Krankenschwester und wird daher den Patienten zackzack wiederfinden… Ach ja, den Patienten hatte ich im Übrigen nie zuvor getroffen.
Das Superhandlungsprotokoll in der Hand, stapelte ich erst mal die Unterlagen des Patienten vor mir auf den Tisch und hakte die Checkliste ab: „Habt ihr die Stationen durchsucht?“ „Jop.“ „Die Toiletten?“ „Hmhm.“ „Den Keller?“ „Jaaaa.“ „Die Umgebungsgrünfläche?“ „Wir haben aus dem Fenster geschaut.“ „Eine Suchdurchsage gemacht?“ „Schon erledigt.“ Der nächste Punkt „Dienstarzt informieren“ war ebenfalls ausgeführt.
Sehr informiert kam ich mir allerdings trotzdem nicht vor. Als folgende Maßnahme kam nun: „Polizei informieren“. Das tat natürlich der Dienstarzt. Wer sonst konnte hier präzise Informationen über den Vermissten geben! Irgendwie hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie mit der Polizei telefoniert und diskutierte erst mal mit den Schwestern, ob man denn hier nun 110 wählen solle oder ob es vielleicht eine unauffällige Nummer direkt in die lokale Polizeidienststelle gab. Immerhin handelte es sich hier um keinen akuten Raubüberfall.
Ich rief schließlich die Pforte an und fragte nach, ob die mich mit der Polizei verbinden könnten. Die Polizei – welche Nummer die Pforte nun auch gewählt hatte – ging auch sofort ran. „Klinikum Beteigeuze an der Zingg, blabla, ich möchte hier einen Patienten als vermisst melden.“ „Name?“ „Hmm Hermann Frö..“ „Nein, nein ihrer.“ Der Polizist brachte nun erstmal mehrere Minuten damit zu, meinen Nachnamen und den Vornamen ganz genau zu notieren. „Zorgcooperations mit Z oder S? Zwei Os? Können sie das bitte mal buchstabieren? Und den Vornamen auch. Haben sie einen Doktortitel?“
Nachdem ganz genau notiert war, wer hier überhaupt anrief, wurden auch die Patientendaten aufgenommen. Wir erfanden einen genauen Vermissungszeitpunkt, da „naja, seit einer Stunde“ als Zeitangabe überhaupt nicht präzise genug war. Eine der Schwestern, welche übrigens belustigt im Kreis um mich herumstanden, gab schließlich eine genaue Personenbeschreibung ab und zum Glück ging die Polizei dann los und fand den Patienten wieder, der inzwischen brav nach Hause gelaufen war.
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