Irgendwann nachdem ich also angefangen hatte Arzt zu sein, ließen sie mich ganz alleine eine Station betreuen. Erfreut über das in mich gesetzte Vertrauen, saß ich also im Stationszimmer und tat…hm naja irgendwas professionell aussehendes.
Hinter mir blätterte eine Krankenschwester wild in einem Laborbuch. „NSL, NSL“, murmelte sie missmutig, „was soll das denn bitte sein?!“
Als superkompetenter Arzt konnte ich selbstverständlich weiterhelfen: „Jo. Hier handelt es sich um die Neuronenspezifische Enolase, einen Tumormarker, den man z.B. beim kleinzelligen Bronchialkarzinom bestimmen kann.“
Die Krankenschwester war schwer beeindruckt, fand endlich die richtige Seite im Buch und zeigte es gleich ihrer Kollegin: „Hier siehst du. Neuronenspezfische Enolase. Sachen gibt es!“
Die Kollegin nickte anerkennend über dieses brilliante Detailwissen. Dann sagte sie noch: „Ach Frau Zorgcooperations, wo du schon die Patientenkurven seit einer halben Stunde für dich vereinnahmst, kannst du da bitte ein Schlafmittel für Herrn Bongel aufschreiben. Und Frau Huber hat seit einer Woche keinen Stuhlgang mehr. Kannst du dich da drum kümmern?“
„Äh ja“, sagte ich und überlegte, ob ich hier vielleicht mein Wissen zur aktuellen Behandlung der Narkolepsie anbringen könnte oder die genaue Pathologie des Morbus Hirschsprungs, welcher ja schließlich auch zu Stuhlgangsproblemen führt! Den Kurs „Banale Alltagsproblem deiner Patienten als Stationsarzt“ muss ich an der Uni irgendwie verpasst haben. Ahem.
Am Ende fragte ich dann die Schwester, was für ein Schlaf- und Antiverstopfungsmedikament denn empfehlenswert wäre. Hat dann leider meinen erst zuvor erarbeiteten Eindruck der brilliant klugen Stationsärztin zerstört.