Jugendliche (14 – 17 Jahre) und junge Erwachsene (18 – 25 Jahre) in Deutschland sind sexuell aktiv, aber wissen auch, wie man Schwangerschaft und STI vermeidet. Das Kondom ist dabei auch im Jahr 2015/16 Verhütungsmittel Nummer eins. Kulturelle Unterschiede finden sich je nach Herkunft. Dies schlägt sich auch im Bereich der Aufklärung nieder.
Sexuelle Aktivitäten unter den 14-Jährigen sind insgesamt mit durchschnittlich 6 % noch die Ausnahme. Doch mit etwa 17 Jahren hat bereits mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland Geschlechtsverkehr-Erfahrung. Im Alter von 19 Jahren haben 90 % der jungen Frauen deutscher Herkunft das „erste Mal“ erlebt. Bei jungen Frauen mit ausländischen Wurzeln sind hingegen erst im Alter von 21 Jahren gut zwei Drittel sexuell aktiv (70 %). Für junge Männer gilt dies erst zwei bzw. drei Jahre später.
Feste Partner immer bedeutender
„Annahmen, wonach immer mehr junge Menschen immer früher sexuell aktiv werden, bestätigten sich in der aktuellen Studie nicht“, betonte Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA. Positiv ist auch zu erwähnen, dass die feste Partnerschaft jungen Menschen beim „ersten Mal“ immer wichtiger ist. Das Fehlen des oder der Richtigen ist, unabhängig von Geschlecht und Herkunft, der Hauptgrund für Zurückhaltung vor dem ersten Geschlechtsverkehr.
Für Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund spielen des Weiteren moralische Bedenken eine ebenso wichtige Rolle. Beispielsweise geben 28 % das Motiv „vor der Ehe finde ich das nicht richtig“ als Grund für sexuelle Zurückhaltung an. Bei Mädchen und jungen Frauen deutscher Herkunft wurde dies nur in 4 % der Fälle berichtet. Für Mädchen und junge Frauen mit Migrationsgeschichte ist bis ins Erwachsenenalter hinein ein anderes Motiv relevant: die Angst, „dass die Eltern davon erfahren“ (20 %). Dieses Argument teilen Mädchen und junge Frauen aus deutschen Elternhäusern in jüngeren Jahren – mit zunehmendem Alter ist es dann allerdings weniger von Bedeutung.
Verhütung ist ein Thema
Das Verhütungsverhalten der 14- bis 17-Jährigen war im Jahr 2015 ausgesprochen umsichtig. Über 90 % der sexuell aktiven Jugendlichen und jungen Erwachsenen sprechen mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin über Verhütung. Wie sehr sich das Verhütungsverhalten insgesamt verbessert hat, zeigt der Langzeitvergleich für das Sexualverhalten deutscher Jugendlicher: 1980 trafen noch 29 % der Jungen und 20 % der Mädchen keine Verhütungsvorkehrungen beim „ersten Mal“. Heute sind es hingegen nur noch 6 bzw. 8 %. Für Jugendliche mit Migrationshintergrund gibt es zwar noch keine vergleichbaren Daten, doch ist ein Trendvergleich für die vergangenen zehn Jahre möglich.
Bei Jungen mit ausländischen Wurzeln ging die Zahl Nichtverhütender beim „ersten Mal“ demnach von 34 % im Jahr 2005 auf heute 10 % zurück. Bei den Mädchen sank die Zahl im gleichen Zeitraum von 19 % auf nunmehr 2 % ab. „Es ist eine ausgesprochen erfreuliche Entwicklung, dass Jugendliche schon bei den ersten Sexualkontakten ganz besonders auf das Schutzverhalten achten“, erklärte Dr. Thaiss weiter. Das Kondom ist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit deutlichem Abstand das Verhütungsmittel Nummer eins beim „ersten Mal“. Insgesamt 73 % der 14- bis 25-Jährigen gaben dies in der Studie an.
Aufklärung im Elternhaus?
„Das Elternhaus spielt bei der Sexualaufklärung eine wichtige Rolle. Eltern sind für ihre Kinder zugleich Vertrauenspersonen und zentrale Beratungsinstanz in Verhütungsfragen“, sagte Dr. Thaiss. Je nach Herkunft leisten Eltern unterschiedliche Aufklärungsarbeit: Aktuell sprachen 63 % der Mädchen und 51 % der Jungen deutscher Herkunft mit ihren Eltern über Verhütung, aber nur 41 % der Mädchen und 36 % der Jungen aus Elternhäusern mit Migrationshintergrund. Schule ist für Jugendliche mit Migrationshintergrund ein wichtiger Bezug.
Der Schule kommt neben dem Elternhaus eine wichtige Aufgabe in der Sexualaufklärung zu: Im Schnitt gaben 93 % der Jugendlichen an, Themen der Sexualaufklärung im Unterricht besprochen zu haben. Auf die Frage nach der wichtigsten Bezugsperson im Rahmen ihrer Aufklärung, nannten Jungen Lehrer und Lehrerinnen an erster Stelle. Diese sind gerade auch für Jugendliche mit Migrationshintergrund sehr wichtige Bezugspersonen, da ihnen vielfach die Eltern als Ansprechpartner fehlen. Interessant ist zudem, dass etwa 15 % der Mädchen Ärzte als wichtigste Bezugsperson nannten, wohingegen nur 3 – 4 % der Jungen dies erklärten.
Anmerkung des Autors: Die derzeit aktive Kampagne der Urologen für die Jungensprechstunde könnte und sollte helfen, die Zahl der Jungen, die ihren Arzt als Ansprechpartner benennen, zukünftig zu erhöhen. Eine Grundvoraussetzung dafür: Mehr Urologen, welche die Initiative "Jungensprechstunde" gezielt umsetzen.
Quelle: Studie „Jugendsexualität 2015“ der BZgA; Der Privatarzt Urologie 1/2016