Manchmal ist es nicht zu fassen. In der Studie ‚Prolonged Nightly Fasting and Breast Cancer Prognosis‘ von C. R. Marinac et al. ging es nicht nur um die Schlafdauer, sondern um die Zeit der damit verbundenen täglichen Nahrungskarenz – also die Fastendauer ("fasting") – vor und nach dem Nachtschlaf bei bereits an Brustkrebs erkrankten Frauen.
Doch mit der Verlängerung der täglichen Nahrungskarenz lässt sich keineswegs „Brustkrebs im Schlaf besiegen“, wie zum Beispiel die Ärzte Zeitung betitelte.
Untersuchungsgegenstand der Studie war die Frage, ob bei Frauen mit frühen Stadien eines Mammakarzinoms die Dauer des nächtlichen Fastens das Wiederauftreten und die Mortalität beeinflussen [„Objectiv – To investigate whether duration of nightly fasting predicted recurrence and mortality among women with early-stage breast cancer…“].
Fragwürdige Studienanlage
Ausnahmslos alle 2.413 Studienteilnehmerinnen im Alter von 27 bis 70 Jahren hatten bereits als Vorerkrankung Brustkrebs, waren aber nicht an Diabetes mellitus erkrankt [„Design, Setting, and Participants – Data were collected from 2413 women with breast cancer but without diabetes mellitus who were aged 27 to 70 years at diagnosis...“].
Bei der Ergebnisdarstellung haperte es gewaltig: Eine durchschnittliche Studienbeobachtungsdauer von angeblich 7,3 Jahren sollte das Wiederauftreten invasiver Mammakarzinome und neue Primärtumoren detektieren. Die brustkrebsspezifische bzw. die Gesamtmortalität seien jedoch gleichzeitig über durchschnittlich 11,4 Jahre nachbeobachtet worden. Und plötzlich ist nicht mehr von Fastendauer, sondern von selbst berichteter Schlafdauer die Rede? [„Main Outcomes and Measures - Clinical outcomes were invasive breast cancer recurrence and new primary breast tumors during a mean of 7.3 years of study follow-up as well as death from breast cancer or any cause during a mean of 11.4 years of surveillance. Baseline sleep duration was self-reported...“].
Mysteriöse Ergebnisse
Vollends mysteriös sind die Ergebnisse: Weniger als 13 Stunden tägliche Nahrungkarenz war im Mittel nach 7,3 Jahren mit einem um 36 Prozent erhöhten Risiko eines Wiederauftretens von Brustkreb assoziiert, verglichen mit nächtlichem Fasten von 13 und mehr Stunden [„Results... fasting less than 13 hours per night (lower 2 tertiles of nightly fasting distribution) was associated with an increase in the risk of breast cancer recurrence compared with fasting 13 or more hours per night (hazard ratio 1,36; 95 % CI, 1,05-1,76)“].
Das Brustkrebs-Sterberisiko bei weniger als 13 Stunden Nahrungskarenz war im Mittel nach 11,4 Jahren um 21 Prozent erhöht [„...higher risk of breast cancer mortality (hazard ratio 1,21; 95 % CI, 0,91-1,60)“]; das allgemeine Mortalitätsrisiko im gleichen Zeitraum und im gleichen Setting um 22 Prozent [„...significant higher risk of all-cause mortality (hazard ratio, 1,22; 95% CI, 0,95-1,56)“].
Ursache und Wirkung vertauscht?
Auf die vergleichsweise deutlich weniger glorreiche und spektakuläre Idee, dass bereits vorerkrankte Patientinnen mit ihren Brustkrebs-Rezidiven oder mit Zweit-Tumorerkrankungen bzw. mit lebensbedrohlichen, ihre Mortalität erhöhenden Zuständen einfach weniger lange und seltener ruhig schlafen oder längeres Fasten ganz einfach nicht mehr aushalten konnten, ist das gesamte Autorenteam offensichtlich niemals gekommen.
Sie werden doch nicht etwa bei der Annahme, dass langes Schlafen und Fasten angeblich zu weniger Brustkrebs-Rezidiven und geminderter Mortalität führen sollten, Ursache und Wirkung völlig verwechselt haben?