In einer neuen US-Leitlinie raten Rheumatologen, weniger Harnsäuresenker prophylaktisch einzusetzen. Diese Empfehlung ruft in der Fachwelt ein geteiltes Echo hervor. Gerade für Patienten mit Polymedikation wären Einsparungen wünschenswert.
Schätzungsweise vier Prozent aller US-Amerikaner leiden an Gicht, Tendenz steigend. In Großbritannien hat sich die Prävalenz von 1,4 (1999) auf 2,5 Prozent (2012) erhöht. Für Deutschland liegen zwar keine aktuellen Zahlen vor – die Größenordnung ist aber übertragbar. Bei Patienten lagern sich Harnsäurekristalle in peripheren Gelenken und Geweben ab. Mittelfristig verändern sich nicht nur Knochen und Knorpel. Auch die Niere nimmt Schaden. Ärzte setzen unter anderem auf Inhibitoren des Enzyms Xanthinoxidase wie Allopurinol oder Febuxostat. Ob die Wirkstoffe bereits nach der ersten Gichtattacke verordnet werden sollten, ist Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen.
Das American College of Rheumatology hält Pharmaka für dringend erforderlich, um die Kristallisation von Harnsäure in Gelenken beziehungsweise in Weichteilgewebe zu verhindern. Allopurinol und Febuxostat haben in randomisierten klinischen Studien überzeugend den Harnsäurespiegel abgesenkt. Experten des American College of Physicians kritisieren jedoch, es gebe keine randomisierten klinischen Studien zum protektiven Effekt. Sie verweisen auf Nebenwirkungen bekannter Arzneistoffe. In ihrer jetzt aktualisierten Leitlinie raten sie Ärzten deshalb zur „Treat-to-Avoid“-Strategie. Das bedeutet, nur Patienten, die ohne Prophylaxe weitere Schübe erleiden, sollten vorbeugend mit Arzneistoffen behandelt werden.
Mit der Empfehlung setzen sich zwei Forscher in äußerst kontroversen Editorials auseinander. Robert M. McLean aus New Haven/Connecticut steht voll und ganz hinter der Leitlinie. Er kritisiert, für die „Treat-to-Target“-Strategie fehlten Belege aus randomisierten Studien. Ihm geht es hier um präventive Effekte. Das American College of Physicians nennt als Zielwert eine Harnsäurekonzentration von unter 6 mg/dl. Tuhina Neogi von der Boston University School of Medicine hält an dieser Empfehlung fest.
Für Apotheker ist die Studie nicht ohne Relevanz. Noch ist die Datenlage schlecht. Sobald deutlich bessere Publikationen vorliegen, wird es eher möglich sein, bei Patienten mit Polymedikation Arzneimittel zu streichen. Weniger ist eben manchmal auch mehr.