Die inflationäre und falsche Verwendung des Begriffes „Mobbing“ schadet den wirklichen Opfern. An sich könnte ich jede Woche so einen Artikel schreiben. Mindestens. Genau so häufig wird irgendwo in der deutschen Presselandschaft des Wort „Mobbing“ falsch verwendet.
Neuestes Beispiel ist ein Artikel im Focus: „Wegen Übergewicht beleidigt Kölnerin schlägt nach Mobbing-Attacke öffentlich zurück“
Was war passiert? Ein Mann hatte die übergewichtige Frau nach dem Einsteigen in ein Taxi beleidigt, indem er etwas durch das geöffnete Autofenster gerufen hatte (siehe Artikel). Klar ist: Man soll keine Menschen beleidigen. Klar ist aber auch: Das hat mit „Mobbing“ nichts, aber auch gar nichts zu tun. Nach Heinz Leymann (1996) müssen folgende Punkte vorliegen, damit wir von Mobbing sprechen:
Gegen die Verwässerung, für korrekte Sprachregelung
„In nennenswerter Häufigkeit“ bedeutet mindestens einmal pro Woche. „Über einen längeren Zeitraum“ bedeutet nach Leymann mindestens ein halbes Jahr lang.
Auch wenn wir das „halbe Jahr“ heutzutage großzügiger auslegen, weil Mobbing-Handlungen auch schon in wesentlich kürzerer Zeit zu gesundheitlicher Schädigung führen können, wird aus der genannten Definition klar, dass eine einmalige Beleidigung – durch ein offenes Autofenster zugerufen – kein Mobbing sein kann. Es fehlt das Systematische, und es fehlt die Dimension der Häufigkeit und die der Dauer.
„Na und?“ – wird jetzt vielleicht jemand sagen. Was soll‘s? Ist doch egal.
Eben nicht. Durch die schlampige und inflationäre Verwendung des Begriffes „Mobbing“ wird dieser Terminus verwässert. Er wird für jede Form konflikthafter Auseinandersetzung verwendet und damit unbrauchbar. Wir brauchen aber eine korrekte Sprachregelung für diese Form krankmachender Konflikte am Arbeitsplatz und in der Schule. Denn wir wollen schikanösen Psychoterror abgrenzen von alltäglichen Auseinandersetzungen, die nicht die zerstörerische Wucht von echtem Mobbing haben. Es wäre an sich nicht allzu aufwändig, wenn sich Journalisten und Redakteure vorher informieren, bevor sie locker flockig Begriffe völlig falsch verwenden. Aber das klingt halt gut: „Mobbing-Attacke“!
So trägt der Schlamper-Journalismus dazu bei, dass Opfer echten Mobbings sich plötzlich in einer Schublade wiederfinden mit allen anderen Menschen, denen irgendetwas Unangenehmes widerfahren ist, das nichts, aber auch gar nichts mit "Mobbing" zu tun hat.
Peter Teuschel
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