Mit einer klug angelegten Bewegungsstudie einer Mäusegruppe wurde bei Mäusen mit simulierter Infektion deren Absonderung und damit der Schutz der Artgenossen vor weiteren Erkrankungen detektiert. Doch ist dieses Rückzugskonzept ohne weiteres stimmig und auf den Menschen übertragbar? Wie können wir von Mäusen bei Infektionen lernen und ihre Verhaltenskonzepte infektions-epidemiologisch nutzen?
Die Publikation
„Infection-induced behavioural changes reduce connectivity and the potential for disease spread in wild mice contact networks“ von Patricia C. Lopes et al. in NATURE ist in der Tat nicht nur für die Gattung „Mus musculus domesticus“ (frei lebende Hausmaus) verhaltensbiologisch und infektions-epidemiologisch höchst interessant.
lnfektiologisch unvernünftige Menschen?
Während beim Menschen viele Pädagogen zunehmend den Eindruck gewinnen, kranke Kleinkinder und Schüler werden gezielt im kranken Zustand in die Kindergärten, Schulen und Horte gebracht. Weil man sie dort besser versorgt bzw. gesundungsfördernd untergebracht wähnt? Während die gute alte Bettruhe ohne Besuchermassen so gut wie ausgestorben zu sein scheint?
Und wenn jeder kürzere oder längere Klinik-Aufenthalt zu einem Besucher-Ansturm längst vergessener Familienangehöriger und entfernter Freunde mutiert? Da ziehen sich die erkrankten Hausmäuse eher aus ihrer sozialen Gemeinschaft zurück.
Für den Menschen interessantes Konzept?
In der vorliegenden Studie wurden Krankheiten durch spezifische Injektionen mit einem bakteriellen Produkt (LPS) simuliert, ergänzt durch eine Kontrollgruppe mit Kochsalzinjektionen, bei denen die o.g. Verhaltensweisen nicht auftraten [„...we used a common model of bacterial infection, consisting of injections of a bacterial product (lipopolysaccharide or LPS)“] und [„...receiving an injection of either LPS or control (saline) in one night“].
Es waren jedoch einige Verhaltensänderungen der Mäuse mit Krankheitssymptomen, die von der Gruppe selbst nicht wesentlich erkannt und gemieden wurden [„Our data suggest that immune-challenged mice became disconnected from their social groups as a result of their own behaviour, rather than through avoidance by conspecifics“]. Lediglich die weiblichen Tiere änderten ihr Paarungsverhalten [„...that females are able to distinguish between an LPS and a saline injected male, preferring to spend time near the latter“].
Fehlende Krankheitsversorgung und Gesundheitsschutz
Ein letzter Punkt konnte aber mangels spezifischer Versorgungskonzepte mit „Mus musculus domesticus“ nicht ausdiskutiert werden: In Ermangelung einer Mäuse-eigenen, spezifischen Krankenversorgung konnte nicht erklärt werden, warum im menschlichen Verhalten entgegen eines natürlichen Rückzugs-Reflexes von Infizierten oder Kranken bei den behandelnden Ärzten bzw. Rettungs-, Pflegepersonal und allen anderen Mitarbeitern in Klinik und Praxis ein aktives Draufzugehen mit altruistisch-selbstaufopfernder Hilfestellung und organisierter interventioneller „Rettungskette“ angelegt ist? Welche bio-psycho-soziale Entwicklung hat sich da von den Siechen- und Sterbehäusern (Hôpital de Beaune/F) bis zur modernen, industriellen Versorgungs-Medizin ergeben?