Harninkontinenz ist ein mit Scham behaftetes Thema, über das die Betroffenen nicht gerne reden. Trotzdem werden wir zur Zeit in der Fernsehwerbung mit Spots überhäuft, die auf mehr oder weniger originelle Weise Inkontinenzprodukte anpreisen. Das ist insofern begrüßenswert, als es das Problem aus der Tabu-Ecke holt. Aber wie hilfreich ist diese Werbung?
Glaubt man der aktuellen Fernsehwerbung, dann scheint es für die moderne Frau kaum etwas Erstrebenswerteres zu geben, als Inkontinenzvorlagen oder sogenannte Schutzunterwäsche (a.k.a. Windeln) zu tragen. Da wimmelt es nur so von attraktiven und aktiven, jungen oder jung gebliebenen Damen, die mit ihren Inkontinenzprodukten fröhlich durchs Bild tanzen und springen und ihr Leben trotz „Blasenschwäche” in vollen Zügen genießen, da es angeblich keiner merkt oder sieht – außer der Betroffenen natürlich.
Die Windel wird fast zum modischen Accessoire, das „aussieht und sich anfühlt wie herkömmliche Unterwäsche” und mit dem man vor allen „Uups-Momenten” gefeit ist.
Man könnte fast meinen, es sei für Frauen ab einem gewissen Alter völlig normal, unkontrolliert Urin zu verlieren, und ein Schicksal, in das man sich einfach ergeben muss. Tatsächlich haben statistisch gesehen etwa 25-30 % aller über 35-Jährigen schon einmal Erfahrung mit Harninkontinenz gemacht. Glaubt man den Herstellern, ist dies mit der richtigen Vorlage aber kein Problem mehr, getreu dem Motto: Lebe fröhlich mir deiner Inkontinenz.
Zumindest in den Werbespots wird jedoch kein Wort darüber verschwendet, dass es unterschiedliche Inkontinenzformen mit vielfältigen Ursachen und differenzierte Therapieansätze gibt, angefangen mit Beckenbodentraining und/oder Verhaltenstherapie über eine medikamentöse Behandlung oder Selbstkatheterismus bis hin zur Operation, die insgesamt gute Erfolgsaussichten haben. Die unreflektierte Verwendung von Inkontinenz-Hilfsmittels ist hingegen in jeder Hinsicht die schlechtere Wahl, aber natürlich für die Hersteller lukrativ.
Daher fehlt wahrscheinlich auch die Empfehlung, bei Harninkontinenz erst einmal den Urologen aufzusuchen, welcher der Facharzt für diese Erkrankungen ist.
Bedauerlich!