Oftmals hört man Stimmen laut werden, die fordern, OTC Arzneimittel gänzlich aus der Apothekenpflicht zu entlassen und wie in manchen anderen Ländern auch für den Vertrieb in Supermärkten und Tankstellen freizugeben. Es gibt viele Gründe, die dagegen sprechen – einer davon ist die fehlende Beratung. Aber ist diese denn wirklich so nötig?
Ich fange mal an, alles zusammenzutragen, was bei uns so an Fehlanwendungen oder Ähnlichem auftritt, denn das ist nicht wenig. Auf die Idee zu dieser kleinen Serie kam ich vorletzte Woche, als meine Kollegin einen Mann beraten hat, der augenscheinlich wegen etwas ganz Banalem zu uns kam.
„Hallo! Ich hätte gerne ... hmmm ... jetzt ist mir der Name entfallen ... so pflanzliche Tropfen gegen Kreislaufprobleme. Man tropft sie auf ein Zuckerstück.“ – „Sie meinen Korodin Tropfen?“ – „Ja! Genau! Da hätte ich gerne welche von.“
Immer erstmal nachfragen
In einem „Kaufmannsladen“ wäre die Beratung hier beendet gewesen, man hätte vielleicht noch gefragt, welche Packungsgröße es sein soll und gut wäre es gewesen. Nicht aber in der Vorstadtapotheke und in allen anderen Apotheken, die ihre Kunden eben so beraten wie es sein soll.
„Darf ich fragen für wen die Tropfen gedacht sind?“
„Die sind für meine Tochter, die hat in der letzten Zeit immer so Kreislaufprobleme. Sie ist sogar schon mal auf dem Nachhauseweg von der Schule umgekippt, letzte Woche.“
„Wie alt ist ihre Tochter denn?“
„Zwölf Jahre. Ist das wichtig?“
Es folgt ein längeres Aufklärungsgespräch
Ja, ist es. Die Frage, ob die Eltern deswegen schon mal mit ihr beim Arzt waren, wurde nämlich verneint. Es folgte ein längeres Aufklärungsgespräch darüber, dass der Ursache der Kreislaufprobleme auf den Grund gegangen und nicht nur die Symptome kaschiert werden sollten. Meine Kollegin führte verschiedene Gründe an, die von der normalen Hormonumstellung in diesem Alter bis zum Beginn eines Diabetes mellitus reichten.
Jedenfalls überzeugte sie den Vater davon, zunächst einmal ärztlichen Rat einzuholen. Verkauft hat sie nichts, aber der Mann war wirklich dankbar dafür, dass sie sich so viel Zeit genommen hatte und ihm viele Zusammenhänge erklären konnte. Auch wenn dieses Mal kein Geld in der Kasse landete, den einen Stammkunden hat meine Kollegin uns sicher gewonnen. Und mir ein erstes „Fallbeispiel“ geliefert.