Kassenrezepte sehen meist alle gleich aus – rosa, glatt, mit mehr oder weniger Kreuzchen an verschiedenen Stellen. Doch bis sie den Weg von der Arztpraxis zu uns beendet haben, stoßen ihnen die verschiedensten Dinge zu. Manche kommen tropfnass bei uns an, in den Regen gekommen heißt es dann, oder die Wasserflasche ist im Auto ausgelaufen.
Mit einem nassen Rezept kann man aber sogar noch etwas anfangen, nach dem Trocknen sind sie wieder brauchbar. Andere sind voller Kaffeeflecken oder Tassenränder und sehen aus, als wären sie in Ermangelung eines Tischsets als solches benutzt worden.
Solange man noch alles lesen kann, ist es zwar okay, aber begeistert bin ich auch dann nicht. Manchmal kommen Rezepte rein, die von nervösen Personen zwecks Pausenfüllung ganz eng zusammengerollt wurden. Entrollt man sie wie ein altägyptisches Pergament „schnurren“ sie sofort wieder zusammen. Um sie in den Drucker schieben zu können, muss man sie auffalten und über eine Tischkante in die entgegengesetzte Richtung hin und her reiben. Das nervt schon etwas, denn es ist so unnötig!
„Finn Luca hat sich das Rezept nur kurz in den Mund gesteckt!“
Fällt ein Rezept einem Kleinkind oder Baby zum Opfer, ist eigentlich alles zu spät. Angesabbert, zerrissen – oft mehrfach – und benagt wird es über den Tisch gereicht, meist mit einem Grinsen und entschuldigendem Gesichtsausdruck: „Ich hab es Finn Luca nur gaaanz kurz zum Spielen gegeben“. Ääääh ja. Das da ist ein Dokument, das wir noch zur Abrechnung brauchen. Soll ich Finn Luca das nächste Mal die 20 Euro Wechselgeld auch gaaanz kurz zum Spielen geben?
Besonders doof ist es, wenn die rechte obere Ecke fehlt, dann erkennt unser Rezeptdrucker nämlich nicht, dass da was drinnen liegt. Aber mit Trick 17 gibt es auch hier eine Lösung: Einfach ein glattes DIN-A-6 Papier drunterlegen und es dann bedrucken. Heute bekam ich ein Rezept rübergereicht, das aus einem übervollen Einkaufskorb von ganz unten hochgeknibbelt wurde. Ich musste erst einmal die anhaftenden Essensreste entfernen, bevor ich irgendetwas anderes machen konnte. Zunächst dachte ich, es wäre Butter, es stellte sich dann aber als Schmierkäse (Milkana Gouda) heraus, was ungleich hartnäckiger zu entfernen ist.
Raum für Interpretation und Fantasie
Nach dem Bearbeiten mancher „Raucherrezepte“ muss ich mir auch die Hände waschen, weil sie riechen, als hätte ich in einen Aschenbecher gefasst.
Am schlimmsten sind jedoch die Flecken der Kategorie „undefinierbar“, da einfach zu viel Interpretationsspielraum für uns fantasiebegabtes pharmazeutisches Personal bleibt – das grüngraue, hartgewordene Draufgeschmiere, könnte das Popel sein? Der rostrote Fingerabdruck da auf dem Diabetikerrezept, ist das Blut, weil er sich nach dem Zuckermessen kein Pflaster aufgeklebt hat? Dem Geruch und dem Aussehen nach, hat sich Herr Müller das Rezept noch mal ordentlich durch die Kimme gezogen, bevor er es mir in die Hand gedrückt hat ...?
Und bei all dem: immer freundlich, immer lächeln, selbst, wenn das, was am Rezept haftet noch feucht ist und du gerade hineingefasst hast. Aber was wäre ein Tag ohne Herausforderungen?