Frau von und zu Gerdin, eine süße alte Dame mit grauen Löckchen, war mit Magenschmerzen in unserer Notaufnahme aufgeschlagen und von dort auf meine Station verschoben worden. Der Chefarzt war auch schon da gewesen, denn Frau von und zu Gerdin war hochprivat.
Nur war unsere exklusive Privatstation schon voller mindestens so privater Privatpatienten und deshalb war Frau von und zu Gerdin nun sozusagen meine Privatpatientin.
„Da machen wir morgen eine Magenspiegelung!“, hatte der Chefarzt während seines 10-Sekunden-Aufenthalts auf der Station befohlen. Ich nahm also einen Aufklärungsbogen und erklärte Frau von und zu Gerdin alles Mögliche über so eine Magenspiegelung. Das ging auch gut, bis ich zu dem Teil kam, in dem der Arzt die möglichen Komplikationen der Untersuchung auflistet.
Frau von und zu Gerdin schaute mich grimmig an und rief: „Also wenn das passiert ... dann ...“, etwas ratlos schaute sie im Raum umher, „dann reiße ich ihnen Ihre schönen Haarspangen raus!“
Erfreut über das Kompliment für meinen Haarklemmer, dachte ich ebenso erfreut daran, dass meine Patientin bei der Magenspiegelung schlafen würde. Ich versicherte, dass Komplikationen selten seien.
Frau von und zu Gerdin war aber trotz des zuvor ausgesprochenen Einschüchterungsversuchs immer noch nicht zufrieden. „Wenn hier etwas schief geht, dann ... hm ... dann sind Sie zu mindestens zehn weiteren Untersuchungen bei mir verpflichtet. Gratis! Da verliert das Krankenhaus Geld!“ – „Hmhm“, sagte ich und dachte daran, dass zum Glück nicht ich diese Untersuchung durchführen würde.
Frau von und zu Gerdin unterschrieb schließlich den Bogen, offenbar zufrieden mit den geäußerten Drohungen und fragte dann: „Wann macht der Chefarzt morgen dann die Untersuchung?“
„Ähm, MOMENT“ rief ich. „Der Chefarzt macht nicht alle Untersuchungen hier im Krankenhaus persönlich. Auch nicht bei Privatpatienten. Der Chefarzt ist außerdem überhaupt kein Gastroenterologe. Vermutlich hat er noch nie in seinem Leben eine Magenspiegelung gemacht. Da wird einer unserer kompetenten Oberärzte vom Fach ihre Untersuchung durchführen.“ – „Hm“, sagte meine Patientin sehr missmutig über diesen schlechten Service.
Im Anschluss pries ich noch ausführlich die Kompetenz unserer gastroenterologischen Oberärzte an. Frau von und zu Gerdin überstand die Magenspiegelung unbeschadet, hätte aber trotzdem lieber den Chefarzt persönlich dabei gehabt.
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