Supermarkt und Apotheke in einem – das gibt es ab nächstem Jahr in einem Kaufhaus in Bern. Die Discounter-Mentalität macht eben auch vor unserem Gesundheitssystem nicht Halt. Sparfüchse mögen sich über diesen Schritt freuen. Mir gefällt das gar nicht.
Danke an die Einsender, die mich auf diesen Artikel aufmerksam gemacht haben, auch wenn die Thematik sensationell aufgemacht ist. Der Artikel der Migros selber ist da realistischer. Es geht darum, dass die Schweizer Supermarktkette Migro und die Versandapotheke Zur Rose kooperieren und nächstes Jahr zusammen (erstmal eine?) Apotheke in einem Kaufhaus in Bern integrieren.
Auch wenn diese Nachricht jetzt aufgebauscht wird und manche schon wieder jubeln, dass dann die bösen hohen Apothekenpreise fallen, die Zur Rose ist nicht der Retter der Patienten. Tatsächlich ist die bei mir ziemlich unten durch – um Gewinn zu machen operieren sie häufig an der Grenze zur Illegalität und teils darüber hinaus, einfach, um Tatsachen zu schaffen und auch zu sehen, wie weit sie gehen können.
Die Zur Rose Apotheke
Die Zur Rose Apotheke wurde 1993 von Ärzten als Ärztegrossist für die selbstdispensierenden Ärzte gegründet und beliefert seit 2001 als Versandapotheke auch Privatpatienten, obwohl der Versand von Medikamenten in der Schweiz laut Heilmittelgesetz eigentlich grundsätzlich verboten ist oder anders gesagt: nur mit sehr definierten Ausnahmen erlaubt. 2004 expandierte sie nach Deutschland, inzwischen operieren sie nach der Übernahme der holländischen Versandapotheke DocMorris europaweit. Sie ist in den Jahren schon mehrfach negativ aufgefallen – vor allem den Apotheken.
Die Zur Rose belieferte nicht nur Ärzte in Kantonen, wo die Selbstdispensation erlaubt ist (also wo die Ärzte selber Medikamente verkaufen, eine Ausnahme, die die Schweiz hat), sondern hat mit einigen Ärzten Kooperationen und Verträge geschlossen, nach denen diese Ärzte, die der zur Rose Versandapotheke Patienten und Rezepte zuschleusen direkt vom so erzielten Umsatz profitieren.
Riecht nach Korruption – und diese Praxis wurde vom Bundesgericht schliesslich verboten, da damit praktisch das Selbstdispensationsverbot ausgehebelt wurde und auch die freie Wahl des Leistungserbringers (in dem Fall der Apotheke) eingeschränkt wurde.
Ebenso verboten wurde der Zur Rose der Versand von nicht-rezeptpflichtigen Medikamenten, wenn nicht schon ein Rezept dafür ausgestellt wurde. Das Bundesgericht sagt hier deutlich: Ein ärztliches Rezept braucht vorher direkten Kontakt zwischen Patient und Arzt. Die von der zur Rose praktizierte Ferndiagnose, die erst nach Eingang der Bestellung erfolgte (mittels Online-Formular), stellt einen Verstoß gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht dar. So ist das hierzulande, aber es gibt ja noch das Ausland.
Skandalurteil des Europäischen Gerichtshofs
Im Ausland ist die Zur Rose ebenfalls als Versandapotheke tätig. Nach der Expansion nach Deutschland haben sie 2012 die DocMorris Versandapotheke mit Sitz in den Niederlanden für 25 Millionen Euro gekauft. Dieses Jahr haben sie es (mit wer weiß, welchen Methoden) durchgebracht, dass der Europäische Gerichtshof ihnen erlaubt hat, für deutsche Patienten Rabatte (und geldwerte Anreize) auch auf den Bezug rezeptpflichtiger Medikamente anzubieten – wohingegen deutsche Apotheken das vom Gesetz her nicht dürfen!
Man will ja eigentlich nicht Anreize schaffen, dass die Patienten unnötig/vermehrt Medikamente bestellen. Die Begründung für dieses Skandalurteil, das die deutschen Vor-Ort Apotheken benachteiligt und (wenn keine Lösung gefunden wird) zu einem Apothekensterben führen wird, ist mehr als zynisch: Angeblich besitzen die Vor-Ort Apotheken ja den diskriminierenden Vorteil, dass sie im Gegensatz zur Versandapotheke beraten können. Das sollte reichen, um Missstände auszugleichen.
Die Migros – eine der beiden großen Kauflädenketten in der Schweiz, vor allem für Lebensmittel – versucht seit Jahren in das Geschäft mit den Medikamenten einzusteigen. Ihre bisherigen Vorstöße gingen vor allem in die Richtung Medikamente und Arzneimittel ins eigene Sortiment aufzunehmen.
Zum Glück sieht bei uns auch die Politik ein, dass Zustände wie in Amerika – wo es alles, was nicht rezeptpflichtig ist im Supermarkt gibt – nicht gerade der Gesundheit zuträglich sind. Ein Aspirin oder ein Paracetamol mag ja harmlos scheinen, aber ist es nicht! Die Verkäuferin kann mangels Wissen auch weder Wechselwirkungen abklären, noch die Frage beantworten, ob es überhaupt das richtige Medikament ist.
Supermarktriese Coop als Vorbild
Die Migros als Rezeptsammelstelle zu etablieren (auch durch die Zur Rose Apotheke) hat sich nicht so bewährt, nun nimmt sich die Migros also den Supermarktriesen Coop zum Vorbild und will die Apotheken in ihre Läden integrieren.
Coop hat das System mit Coop Vitality schon länger. Ihr Vertragspartner ist dabei die Galenika Gruppe, ein Medikamenten-Großhändler, der außerdem noch die Amavita Apotheken betreibt und vor ein paar Jahren auch noch die Sunstore-Apothekenkette aufgekauft hat. Das ist also nichts wahnsinnig neues.
Dass da manche Krankenkassen schon jubeln, in der Annahme an den Medikamenten sparen zu können, sollte den Patienten vielleicht auch zu denken geben: Manche Krankenkassen werden dies als Anlass nehmen, exklusive Verträge mit diesen Discount-Apotheken abzuschließen und die Patienten dann zwingen (Versicherungsmodell), dort ihre Medikamente zu holen oder die Präparate dann halt in der Apotheke selbst bezahlen zu müssen. Analoges gibt es schon in der Kombination Assura Krankenkasse und Sunstore-Apotheken.
Neue Konkurrenz – eher unerfreulich
Von daher bin ich mäßig beunruhigt. Natürlich freut mich die Konkurrenz gar nicht, vor allem in dieser Kombination: Kaufhaus-Versandapotheke (beide mit hauptsächlich Blick auf kaufmännische Werte, statt der gesundheitlichen oder sozialen). Eine Apotheke ist heute keine Geldgrube mehr, wie manche denken. Auch nicht in schon bestehenden Läden an gut frequentierten Stellen, denn auf dem Land wird man die sicher nicht finden. Aber da hinter der Kooperation viel Geld steckt, werden sie die Auflagen wohl erfüllen können, denn es ist nicht so einfach, eine Apotheke aufzumachen.
Da gibt es eine Menge Auflagen und Gesetze, die erfüllt werden müssen. Es reicht nicht, einfach eine Ecke im Kaufhaus für eine Apotheke bereitzustellen. Es gibt bauliche Vorschriften, man braucht ein QMS-System, womit unter anderem die korrekte Lagerhaltung kontrolliert wird, man muss am Notdienstturnus teilnehmen, es braucht qualifizierte Angestellte – namentlich Apotheker – rund um die Uhr und ich (persönlich) würde nicht für diese Apotheken arbeiten wollen.
Fabian Vaucher, der Präsident des schweizerischen Apothekerverbandes, nimmt das auch sehr gelassen. Er vertraut darauf, dass unsere hochwertige Arbeit als Service-Dienstleister in der Öffentlichkeit die Geiz-ist-Geil-Mentalität schlägt.
Aber es zeigt (einmal mehr), wie sehr das Gesundheitssystem im Umbruch ist.
Unter den Drogisten ist der Krieg ausgebrochen
Passend dazu höre ich von Urs, dass unter den Drogisten fast Krieg ausgebrochen ist, als bekannt wurde, dass der Drogistenverband die Drogerie-Kette Müller in den Verband aufnimmt. Die ursprünglich aus Deutschland stammende Drogeriekette (die übrigens Partner der zur Rose Apotheke ist!) ist bekannt dafür, dass sie auf Fachpersonal, in dem Fall Drogisten, weitmöglichst verzichtet und mit günstigen Verkäufern und geeignetem Einkaufsverhalten (die Masse macht’s und hier auch noch via Einkauf in Deutschland) als Discounter ihren Umsatz generiert. Unter den Voraussetzungen wollen viele Drogisten Drogerie Müller nicht als Mitglied des Drogistenverbandes sehen, auch wenn so (einiges) Geld durch Mitgliederbeiträge herein kommt.
Ich sollte hier für die deutschen Leser erklären, dass man in der Schweiz unter einer Drogerie ein von (ausgebildeten) Drogisten geführtes Fachgeschäft für Gesundheit und Schönheit versteht, das Wert auf eine fachkundige Beratung legt. Es gibt viele Heilmittel in Drogerien zu kaufen, nicht nur Produkte für die Schönheit. An vielen Orten kooperieren Drogerien und Apotheken heute deshalb – das Sortiment ergänzt sich – und das meist problemlos.
Nun, wenigstens scheint bei uns das Modell mit den Rezept-Pick-Up-Stellen, wo die Drogeriekette dm in Deutschland mit der Zur Rose kooperiert, nicht mehr zu kommen. Aber: Die Discounter drängen ins Gesundheitssystem. Von allen Seiten.
Manche Wirtschaftler und diejenigen, die nur aufs Geldsparen sehen, freut das vielleicht. Ich finde das sehr kurzsichtig gedacht. Mir gefällt das gar nicht.