Herr Kleinert kam in die Apotheke und legt mir seinen Kompressionsstrumpf auf den HV mit den Worten „Schaun sie mal, jetzt ist das schon wieder passiert!“ Zuerst habe ich gar nicht gewusst was er meint, aber er deutete auf das eingenähte Etikett, auf dem Größe und Kompressionsklasse vermerkt sind.
„Die eine Seite ist schon wieder abgerissen!“ Das Etikett war nur noch an einer Seite fest genäht, die andere war ausgerissen. „Das ist schon mal passiert und ihre Kollegin hat das dann eingeschickt, aber das dauert immer so lange!“ Nun – dran reißen sollte man eben auch nicht Herr Kleinert …
Nicht jede gute Idee lässt sich auf die Apotheke übertragen
„Schaun sie mal hier! Meine Wäscherei hat da 'ne gute Idee gehabt, können Sie das nicht auch so machen“, sprachs und legt eine seiner Unterhosen vor mich hin. Weiße Schiesser Feinripp – samt aufgebügeltem Klebeetikett mit seinem Namen. Ich fühle mich gerade wie im falschen Film, bin aber froh um meine Berufserfahrung, die mich mein Pokerface behalten lässt. Ich hab ja inzwischen schon 'ne Menge gesehen – frische Stuhlproben, Madenwürmer, Zecken, Läuse, pilzige Haut und Nägel – da wirft mich so eine Unterhose nicht aus der Bahn.
„Ääääh … Herr Kleinert … Wir sind hier in einer Apotheke. Wo soll ich denn solche Aufbügler herbekommen und wie soll ich die beschriften?“ – „Naja, Sie vielleicht nicht, aber kann das nicht der Strumpfhersteller machen?“ Offenbar haben die sich ja für eine andere Methode entschieden. „Brauchen Sie das Etikett denn überhaupt? Können Sie es nicht einfach ganz abtrennen?“
Ein X für ein L vormachen
Herr Kleinert ist verwirrt – darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht. Das Problem ist, dass etwas abreißt, die Lösung ist, es wieder zu befestigen. Ganz wegmachen? Welch frevelhafter Gedankengang! „Oh! Ahem. Ich weiß garnicht. Aber dann weiß ich ja nicht, für welche Seite der Strumpf ist, das steht doch da drauf!“
„Das Etikett für den rechten Strumpf ist doch noch dran, oder? Sie müssen sich also nur noch merken – mit Etikett rechts, ohne Etikett links.“ „Nein. Nein. Das ist einfach nicht richtig so. Und so ein Etikett wie es die Wäscherei hat ist doch toll, oder? Das hält bom-ben-fest sag ich Ihnen.“ „Naja, aber das steht uns ja nicht zur Verfügung Herr Kleinert, nicht wahr? Soll ich es abtrennen und mit einem wasserfesten Stift ein X draufschreiben?“
Herr Kleinert ist bereit sich auf dieses Abenteuer einzulassen, will aber erst den Stift sehen. Er gibt sein okay und starrt gebannt darauf, wie ich ein X auf den Bund schreibe. „Ach … Moment … Sie können doch lieber ein L draufschreiben!“ „Jetzt steht das X schon drauf.“ „Na, dann … schreiben Sie das L daneben.“ Gesagt, getan. Ich trenne das Etikett noch vorsichtig ganz ab, und Herr Kleinert wendet sich zum gehen.
Krankenkasse oder Finanzamt – Hauptsache Ausdruck
Der nächste Kunde starrt irritiert auf die vor ihm auf dem HV liegende Unterhose. „Oh! Die hätte ich fast vergessen!“ Herr Kleinert steckt sich hastig die Schiesser wieder ein. Ich nehme das Rezept des nachfolgenden Kunden entgegen, der einen etwas konsternierten Gesichtsausdruck zur Schau trägt. Während ich tippe, dreht mein Kunde des Tages wieder um und ruft „Ach ja, ich brauche noch den Jahresausdruck für 2016!“ „Ich bediene eben noch zuende Herr Kleinert, dann geht es bei ihnen weiter.“
Leicht angesäuert wartet er (war doch zuerst da, Menno). „Welchen Ausdruck brauchen Sie denn? Den für die Krankenkasse oder den fürs Finanzamt?“ „Ach, gibt’s da verschiedene? Dann weiß ich das gar nicht. Ich will den, auf dem mehr draufsteht.“ „Das wäre der für das Finanzamt. Da stehen auch die Sachen drauf, die Sie ohne Rezept geholt haben oder für die Sie ein Privatrezept hatten. Diese Dinge übernimmt die Krankenkasse ja nicht.“ Er muss nachdenken. Lange. Ist sich unschlüssig.
Immer die Kundenkarte vorzeigen
„Aber ich kann es ja mal versuchen, oder? Drucken Sie mir mal den fürs Finanzamt. Was die von der Kasse nicht bezahlen wollen, können die ja wieder rausstreichen.“ Ich drucke seine ellenlange Liste aus, es sind genau 2 (in Worten: zwei!) Artikel, die draufstehen. Einmal die Kompressionsstrümpfe, einmal Baldriantabletten. Er schaut ungläubig darauf.
„Ich hole doch viel öfter Baldriantabletten. Oder auch mal eine Salbe. Warum stehen die da nicht?“
„Haben Sie ihre Kundenkarte mit abgegeben? Oder gesagt, dass das auf Ihren Jahresausdruck soll?“
„Ich habe keine Kundenkarte!“
„Doch, sonst hätte ich gar keinen Ausdruck machen können.“
„Ja … aber … aber … ich habe gedacht das geht alles automatisch auf die Liste!“ „Wissen Sie, wir haben einige Kolleginnen, die hier arbeiten. Und nicht jeder kennt Sie mit Namen Herr Kleinert. Wir sind da schon drauf angewiesen, dass Sie uns Bescheid sagen oder Ihre Karte vorzeigen.“
„Ja, aber ich habe gedacht, das geht automatisch!“
„Wenn Sie jetzt bei SK einkaufen, müssen Sie auch Ihre Punktekarte vorzeigen. Da geht das auch nicht automatisch.“
„Das ist ganz schön kompliziert bei Ihnen!“
Ach Herr Kleinert, ich finde Sie sind auch ganz schön kompliziert, aber mich fragt ja keiner … Theater at it's finest!