Der Esoteriker ist ein sehr spezieller Kundentyp, einen oder zwei davon hat sicher jede Apotheke vorzuweisen. Meistens sind es Frauen, denen man ihre Passion schon von weitem ansieht. Es gibt die Gemäßigten, die einfach nur in Wallawallaröcken und mit klimpernden Arm- und Fußkettchen die Apotheke betreten, barfuß von April bis Oktober.
Die Kinder haben so klangvolle Namen wie „Merlin“ oder „Taliesin“, lange Haare und tragen ein Stirnband. Diese Kundinnen sind meist sanft und freundlich, wenn sie sehen, dass ihr Nachwuchs gerade dabei ist sämtliche Sonnencremes umzuräumen, hört man nur ein gehauchtes „Nepomuk, lass das mal sein. Die Frau von der Apotheke muss das sonst nachher alles aufräumen“. Sie sind bevorzugte Käufer von Weleda-Produkten und eher harmlos.
Der anstrengendere Typus ist der Anhänger der Homöopathie – zumindest wenn das Grundprinzip nicht verstanden, aber trotzdem missionarisch versucht wird, andere Kunden zu bekehren. Mit dem kleinen roten Büchlein der Deutschen Homöopathie Union unterm Arm stehen sie vor dir, schildern ihre Symptome und haben in besagtem Buch schon diverse Seiten markiert. Du sollst jetzt anhand der geschilderten Beschwerden erklären, warum Globuli A besser ist als Globuli B oder C.
„Ach, immer so viel Chemie! Nehmen Sie doch mal Globuli.“
Ganz toll auch, wenn besagter Mensch nun in ein Kundengespräch reinplatzt, in dem du gerade die korrekte Einnahme eines Antibiotikum erklärst, mit dem Kompendium wedelt und sagt: „Ach, immer so viel Chemie! Versuchen Sie es doch mal mit Homöopathie!“ Die unqualifizierte Sucherei im DHU-Buch empfinde ich ähnlich sinnvoll, wie Symptome zu googeln, nämlich gar nicht! Wenn schon homöopathisch, dann bitte zum qualifizierten Therapeuten und dort beraten lassen.
Die schlimmste Sorte sind allerdings die „Auspendler“. Jedes Medikament, manchmal sogar das Rezept, wird „ausgependelt“ und so geguckt, ob man es denn verträgt. Wir haben eine Kundin, die das Insulin auspendelt und oft feststellt, dass DIESE Packung nun gar nicht geht und ihr schaden würde. Dann sollen wir bitte die nächste und die nächste und die nächste bringen, bis sie mit den Schwingungen zufrieden ist. Unnötig zu erwähnen, dass wir nur zwei Packungen auf Lager haben und wir ihr im Wechsel immer eine der beiden vorschlagen, oder? Wenn sie das fünfte oder sechste Mal das Pendel schwingt, passt es dann meist.
„Ich spüre seine sexuellen Gedanken“
Eines Tages stand sie auf einmal völlig aufgelöst in der Apotheke und war total außer sich. Sie sagte, wir müssten SOFORT die Polizei holen, ihr neuer Nachbar hätte sie sexuell belästigt. Ich bat sie ins Beratungszimmer und reichte ihr ein Glas Wasser (das ebenfalls erstmal bependelt wurde).
Sie erzählte dann, dass sie sich gerade hingelegt hatte als er „damit“ anfing. Ich fragte erschrocken, wie er denn in ihre Wohnung gekommen sei, woraufhin sie mir erklärte, dass er das ja gar nicht müsse. Sie sei so sensibel, dass sie seine „Schwingungen“ spüren könne und sobald sie sich ins Bett lege, fühle sie, dass er sexuell erregt an sie denke. Mir fiel erst mal die Kinnlade runter.
Ich machte ihr klar, dass die Polizei niemanden wegen seiner Gedanken verwarnen könne (mal abgesehen davon, dass der gutaussehende Student aus der Wohnung unter ihr sicherlich nicht an diese Schreckschraube denkt, wenn er die Augen schließt). Sie war zunächst sehr aufgebracht, beruhigte sich dann aber schnell wieder, weil ihr einfiel dass sie ja „Schutzsteine“ in die Zimmerecken legen könnte, die seine Gedanken ablenken würden.
Gibt es auch Schutzsteine für die Apotheke, die uns vor solcher Kundschaft in Zukunft verschonen? Ich hätte gerne welche!