Multitasking macht unzufrieden und unproduktiv. Ständige Ablenkungen senken den IQ mehr als Cannabis-Konsum! Was also tun gegen ständige Ablenkungen während der Arbeit?
Abends komme ich aus der Klinik nach Hause. Oft fürchte ich mich schon vor einer harmlosen, gut gemeinten Frage: „Und? Was hast Du heute gemacht?“
Ja, was habe ich eigentlich gemacht? Den ganzen Tag fast ohne Unterbrechung gearbeitet, aber was habe ich wirklich erreicht? Welches meiner Projekte und Aufgaben konnte ich wirklich weiter bringen?
Ich habe Emails beantwortet, Telefonate geführt und Ratschläge gegeben. Dann saß ich in Sitzungen, habe Entscheidungen getroffen und sogar Patienten gesehen! Oft wegen Beschwerden. Ich habe viele Anforderungen meiner Kollegen befriedigt. Aber wo sind eigentlich meine eigenen Projekte und Aufgaben geblieben?
So wird die To-Do-Liste immer länger und alles, wofür ich eigentlich bezahlt werde, bleibt liegen. Sobald ich mich darauf konzentrieren wollte, wurde ich schon wieder unterbrochen. Kennen Sie das Gefühl auch?
Ein Hoch auf das Multitasking?
Wir schreiben Emails, während wir telefonieren, bearbeiten Artikel, während wir in der Konferenz sitzen. Wir machen vieles gleichzeitig und glauben, dass wir dadurch Zeit sparen. Studien zeigen, dass unser IQ um 10 Punkte fällt, wenn wir Multitasking betreiben. Wir machen vieles gleichzeitig, aber nichts richtig.
Ständige Unterbrechungen und nichts erledigt
Der Effekt ist ähnlich, wenn wir uns ständig durch Unterbrechungen ablenken lassen. Beobachten konnte ich das bei einem früheren Kollegen: Er war fast immer telefonisch erreichbar und antwortete binnen Minuten auf Emails. Wenn ich bei ihm im Büro saß und versuchte etwas zu besprechen, dauerte es keine fünf Minuten bis zur nächsten Unterbrechung. Jemand wollte schnell eine Unterschrift, hatte eine Frage oder das Telefon klingelte. Der PC signalisierte neue E-Mails, das Handy eine SMS.
Wie kann sich so ein Kollege auf seine Arbeit konzentrieren? Wie stellt er sicher, dass er wichtige Dinge erledigt?
Ein Teufelskreis beginnt
Statt die Dinge erledigt zu kriegen, die wirklich wichtig sind, kümmern wir uns nur noch um Dinge, die andere uns vorgeben. Der Arbeitstag wird nicht mehr bestimmt von den eigenen Aufgaben. Er wird bestimmt von den Unterbrechungen der Kollegen. Aber ist es das, wofür wir hier bezahlt werden?
Die Auswirkungen ständiger Ablenkung
Von einer Studie dazu habe ich erstmals im Buch von Anita Eggler gelesen: Studenten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Alle sollten einen Intelligenztest machen.
Die erste Gruppe wurde dabei alle elf Minuten durch Email oder Handy unterbrochen. Die anderen durften ohne Ablenkung arbeiten, hatten aber vorher Cannabis geraucht. Welche Gruppe schnitt besser ab?
Die mit Joint, aber ohne Störungen.
Wie viel produktiver würde mein Team werden, wenn ich alle DECT-Telefone und Piepser einsammeln würde und wir stattdessen in der Frühkonferenz gemeinsam eine Tüte rauchen würden! Schade nur, dass ich mich nicht traue, es auszuprobieren.
Was passiert bei Unterbrechungen?
Mitarbeiter, die häufigen Ablenkungen ausgesetzt werden, berichten von mehr Stress, Erschöpfung und Unzufriedenheit.
Studien zufolge dauert es nach einer Unterbrechung meist über 25 Minuten [4], bis man sich wieder voll auf die eigentliche Aufgabe konzentrieren kann. Es dauert nochmals 15 Minuten länger, bis man wieder ganz im „Flow“ drin ist, den man vor der Unterbrechung hatte.
Und da man eh schon unterbrochen wurde, kann man ja auch gleich noch schnell neue Emails abrufen oder auf dem Handy schauen, ob neue Nachrichten da sind. Die Unterbrechung ist perfekt, die Aufgabe wieder nicht erledigt.
Mehr Fehler durch Unterbrechungen
Durch Unterbrechungen steigt auch die Gefahr von Fehlern. Eine Ablenkung von nur zwei Sekunden kann die Fehlerrate schon verdoppeln. Es gibt Krankenhäuser, wo die Pflegekraft, die die Medikamente richtet, eine Warnweste mit der Aufschrift „Nicht stören“ trägt, damit sie von niemandem angesprochen und abgelenkt wird. Mitarbeiter in Großraumbüros besorgen sich Polizei-Absperrband, um zu signalisieren, dass sie für eine Stunde ungestört arbeiten müssen.
Was können wir dagegen tun?
Hier sind fünf Maßnahmen, die ich schon mehr oder weniger erfolgreich umgesetzt habe, um Unterbrechungen zu minimieren und durch fokussiertes Arbeiten wieder produktiver zu werden.
Natürlich hat der Klinikalltag seine besonderen Situationen (z.B. Notfälle), in denen man sich nicht einfach abschotten kann, wie es vielleicht in einem Büro oder einer Behörde möglich ist. Aber einige dieser Vorschläge kann jeder umsetzen:
Schalten Sie am PC und Smartphone die Hinweistöne aus, die auf neue Emails oder Meldungen hinweisen. Schließen Sie das Email-Prgramm, wenn Sie konzentriert arbeiten wollen. Schalten Sie – wenn möglich – das Handy aus oder auf lautlos. Schließen Sie alle Browserfenster und anderen Programme, die Sie gerade nicht benötigen.
Definieren Sie ungestörte Arbeitszeit und tragen Sie diese in Ihren Kalender ein. Behandeln Sie diese Zeit genauso wie andere Termine auf Ihrem Kalender und opfern Sie sie nicht, wenn wieder Anfragen von außen kommen.
Kommunizieren Sie diese Zeiten ggf. auch mit Ihrem Team. Weisen Sie darauf hin, dass Sie nur in Notfällen gestört werden dürfen.
Definieren Sie mit Ihrem Team, wann ein sofortigen Telefonat notwendig ist und wann eher eine Email oder das Sammeln und spätere Abarbeiten von Fragen sinnvoll ist. Sammeln Sie selbst Dinge, die Sie mit Kollegen besprechen müssen, so wie hier beschrieben.
Arbeiten Sie mit Hilfe eines geeigneten Timers in Zeitböcken á 25 Minuten. Machen Sie nach jedem Block eine Pause von 5 Minuten. Sorgen Sie dafür dass in den Zeitblöcken keine Unterbrechung stattfindet (Pomodoro-Technik, bald mehr dazu).
Schon am Vortag sollte man eine eigene Aufgabe definieren, die auf jeden Fall am kommenden Tag erledigt wird. Am besten fängt man gleich als erstes mit dieser Aufgaben an, bevor man zum Beispiel das Email-Programm öffnet.
Und jetzt?
Welchen dieser Vorschläge werden Sie heute anwenden, um wieder produktiver und zufriedener zu werden? Mit welchen Maßnahmen haben Sie gute Erfarhungen gemacht?
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Bildquelle (Außenseite): Alexis Breaux, flickr