Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) galten lange Zeit als Modediagnose in der Pädiatrie. Wie Insight Health jetzt berichtet, hat sich die Zahl ärztlicher Verschreibungen stark verringert. Auffälligkeiten gibt es dennoch.
Wo kommen nur all die ADHS-Patienten her? Auf Basis zahlreicher Studien berichtet Guilherme V. Polanczyk, São Paulo, dass die Lebenszeitprävalenz von ADHS bei sieben Prozent liegt. Er fand keine Belege, dass es in den letzten 15 bis 20 Jahren signifikante Änderungen gab. Warum Ärzte häufiger Methylphenidat und Co. auf ihren Rezeptblock schrieben, lässt sich wissenschaftlich nicht begründen. Insight Health zufolge kehrt sich der Trend jetzt wieder um.
Der Informationsdienstleister präsentierte Ergebnisse auf Basis von aktuellen GKV-Verordnungsdaten. Zwischen 2013 und 2015 ist die Zahl an ADHS-Patienten mit Pharmakotherapie um 15 Prozent gesunken. Betrachtet wurde die Altersgruppe bis 20. Daten des pharmazeutischen Großhandels spiegeln einen ähnlichen Trend wider. Hier kam es, gemessen an der Tablettenzahl, zu einem Rückgang um fünf Prozent. In nahezu jedem zweiten Fall verordneten Neurologen die Präparate. Pädiater stellten jedes vierte Rezept aus, während Klinken oder Institute (15 Prozent) unter ferner liefen rangierten.
Polanczyk weist in seiner Übersichtsarbeit darauf hin, es gebe bei der Verbreitung von ADHS keine regionalen Besonderheiten. Umso mehr überraschen die aktuellen Daten. Insight Health zufolge verordnen Mediziner in den neuen Bundesländern bei Patienten unter 20 Jahren deutlich seltener Pharmaka zur ADHS-Therapie als in den alten Bundesländern. Über die Gründe lässt sich nichts sagen – spielen Eltern eine Rolle? Die Frage bleibt offen.
Noch ein Blick auf die Pharmaka. Als Standard gilt nach wie vor Methylphenidat. Rund 88 Prozent aller verordneten Tabletten enthielten im ersten Halbjahr 2016 diesen Wirkstoff. Sollten Patienten Methylphenidat nicht vertragen oder sollte die Wirkung hinter den Erwartungen zurückbleiben, stehen Atomoxetin, Lisdexamfetamin und Dexamfetamin zur Verfügung. Bei Lisdexamfetamin zeigt sich noch eine Besonderheit. Seit dessen Zulassung im Jahr 2013 wird die Substanz auf Kosten von Methylphenidat immer häufiger aufgeschrieben. Auf Dexamfetamin, das bei therapieresistenten Formen zugelassen ist, entfällt weniger als ein Prozent aller Verordnungen.