Jeder Medizinstudent in Deutschland schließt sein Studium mit dem 2. Staatsexamen ab. Die Prüfung wird zentral gestellt und ist somit an jeder Fakultät die gleiche. Das gilt auch für das 1. Staatsexamen, dem Physikum, mit dem die Vorklinik (das Grundstudium in den ersten vier Semestern) abgeschlossen wird. Im Studium selbst werden die Klausuren allerdings von den jeweiligen Instituten gestellt.
So gibt es an jeder Uni Fächer, in denen die Prüfungen besonders schwer sind. Das wissen dann alle Studenten und es breitet sich eine Stimmung aus, die einerseits gut ist, weil eine Herausforderung Spaß machen kann, sich wichtig anfühlt und ein klein wenig Bange zudem ungeahnte Kräfte während der Vorbereitung verleiht. Andererseits kann diese Stimmung auch deutlich übertrieben sein, denn lähmende Panik ist kontraproduktiv. In der Vorklinik handelt es sich bei dieser schwierigen Klausur an der einen Fakultät um die Biochemie-, an einer anderen um die Physiologie- und an einer dritten wiederum um die Anatomie-Prüfung, die den Puls so manchen Medizinstudenten in die Höhe schnellen lässt. Ganz zu schweigen von Physik!
Im klinischen Studienabschnitt dann sind die meisten Klausuren sehr berechenbar. Oft kursieren Altklausuren und es tauchen bekannte Fragen in den Prüfungen auf. Aus Sicht vieler Ärzte sollte der Fokus der Studenten auch gar nicht so sehr auf die Prüfungen gerichtet sein, sondern darauf, sich so vertraut mit dem Stoff zu machen, dass sie für die Praxis gewappnet sind. Doch aus Studentensicht fällt den Klausuren sehr wohl ein großer Stellenwert zu.
Stressige Klausurenphase
An meiner Uni gibt es allerdings auch eine klinische Prüfung, die es so richtig in sich haben soll: die Innere Medizin. Hier ist es Anspruch der Verantwortlichen, Klausuren mit guter Trennschärfe zu stellen, die tatsächlich die Studenten, die sehr fit sind, mit guten Noten belohnen – und in der diejenigen, die nur sehr oberflächlich gelernt haben, durchfallen. Wem das Bestehen nicht auf Anhieb gelingt, der muss ein zweites Mal ran – oder ggf. in die mündliche Nachprüfung.
Weil das kaum jemand will, ist die allgemeine Stimmung eine eifrige: Kapitel für Kapitel werden die Vorlesungen nachbereitet, daneben entweder im Standardwerk (Herold) oder online (bei Amboss) gelesen. In Lerngruppen werden Themen durchgesprochen und alte Klausuren, die die gut vernetzten Studenten von heute benutzerfreundlich, übersichtlich und außerordentlich altruistisch für nachfolgende Generationen online gesammelt und bereitgestellt haben, gemeinschaftlich bearbeitet. Teamarbeit, bei der man sich gleichzeitig auf mündliche Prüfungen vorbereitet und nicht nur einsam und alleine am ‚Kreuzen‘ von Multiple-Choice Fragen ist.
Es wird ernst
Vor der Klausur ist der Flur voll wie seit Vorklinik-Zeiten nicht mehr. Eigentlich sehr schön: Endlich ist mal wieder das gesamte Semester versammelt. Für Patienten und Besucher dürfte die nervös-aufgeregte Stimmung am frühen Morgen etwas befremdlich sein. Wer noch nicht den Tunnelblick hat, achtet darauf, dass noch ein Durchgang frei bleibt für ‚Passanten‘.
Die Klausur selbst erscheint mir persönlich weniger respekteinflößend, als ich bei all den Gerüchten gedacht hätte. War ich jetzt einfach gut vorbereitet oder ist die Prüfung im Endeffekt weniger schlimm als die Gerüchteküche hat vermuten lassen? Wir Medizinstudenten sind es gewohnt, viel zu lernen; die meisten sind ehrgeizig und stellen hohe Ansprüche an sich selbst. Ehrlicherweise muss man sagen, dass Studenten ohne diesen persönlichen Ehrgeiz heutzutage auch kaum einen Studienplatz ergattert hätten. Der NC liegt seit Jahren so, dass schon mit einem Abi von 1,5 ein Platz keineswegs sicher ist. Wir befinden uns also in einer ziemlich homogenen Vergleichsgruppe, in der fast alle nicht auf den Kopf gefallen und zudem keineswegs faul sind.
Bei allem Ehrgeiz und Ansporn, gute Noten zu schreiben, ist es daher wichtig, den Ärzten Gehör zu schenken. Am Ende geht es darum, in der Praxis zu bestehen. Eine Woche auf Station ist dabei um einiges wertvoller als eine in der Bib. Und entspricht um Längen eher dem Alltag, der uns erwartet und auf den uns das Studium vorbereitet. Und das mit den Klausuren – die besteht man schon! Zum Blog geht es hier.