Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte man mit Penicillin auf dem Schwarzmarkt eine Menge Geld verdienen. Auf spannende Weise erzählt der Filmklasser „Der dritte Mann“ von den kriminellen Machenschaft im Wien der Nachkriegszeit. Mit Penicillin lässt sich heute zwar kein großes Geschäft mehr machen, dafür mit Viagra, Anabolika und gefälschten Antibiotka.
Düstere Schwarzweiß-Bilder aus dem kriegszerstörten Wien, eine melancholische Zither-Melodie und als Showdown die dramatische Verfolgungsjagd durch die Kanalisation – das ist „Der Dritte Mann‟, ein Filmklassiker von 1949, von Kritikern hochgelobt als Meisterwerk des Britischen Film Noir.
Heutzutage weiß allerdings kaum noch jemand, worin es in diesem alten Thriller eigentlich geht: Bösewicht Harry Lime – dargestellt von Orson Welles – führt einen schwunghaften Schwarzhandel mit gefälschtem Penicillin. Derartige Schiebereien waren in der Nachkriegszeit gang und gäbe. Die Geschäfte waren leer, so gut wie alles war knapp, und wer etwas haben wollte, musste es sich unter der Hand besorgen. Aber warum gerade Penicillin?
Penicillin – das Ende des gefürchteten Wundbrandes
Penicillin war 1928 entdeckt worden, aber erst Jahre später begann man, die Substanz als Heilmittel zu nutzen. Die Herstellung war anfangs noch so teuer, dass Penicillin sogar aus dem Urin von behandelten Patienten zurückgewonnen wurde. Erst im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurden neue Produktionsmethoden entwickelt, sodass es in im amerikanischen Militär in größerem Maßstabe therapeutisch eingesetzt und eine nennenswerte Anzahl von Soldaten mit großem Erfolg behandelt werden konnten. Das war eine Sensation: Bislang waren schwere bakterielle Infekte, auch nach kleineren Verletzungen, kaum beherrschbar gewesen. Zahllose Menschen waren gestorben, obwohl die Blessuren zunächst chirurgisch primär gut versorgt werden konnten. Der gefürchtete Wundbrand war oft ein Todesurteil. Jetzt gab es plötzlich ein Mittel dagegen. Allerdings war es immer noch sehr teuer und knapp.
Drehbuchautor Graham Greene hatte während des Krieges für den britischen Geheimdienst gearbeitet und kannte sich aus: Im Chaos der Nachkriegszeit war das geheimnisvolle neue Medikament auch von der Zivilbevölkerung im zerstörten Europa heiß begehrt – aber die raren Vorräte wurden von den amerikanischen und britischen Militärbehörden streng kontrolliert. Wie man sich denken kann, entwickelte sich daraufhin nicht nur ein schwunghafter Schwarzhandel mit echtem Penicillin, sondern auch Betrüger witterten ihre Chance.
Der Schwarzmarkt floriert auch heute
Eine Berliner Bande entwickelte eine besonders perfide Technik: Man beschaffte sich gebrauchte Originalflaschen und füllte sie mit einer Mischung aus Glucoselösung, Gesichts-Puder und zerstampften Malaria-Tabletten. Angesichts der Tatsache, dass Penicillin damals ausschließlich parenteral appliziert werden musste, kann man sich vorstellen, dass man schon viel Glück brauchte, um eine Behandlung mit dieser Mixtur zu überleben. Die Gangster hingegen machten großen Profit.
Heutzutage ist Penicillin billig geworden. Umso bemerkenswerter ist es, dass das Geschäftsmodell offenbar immer noch funktioniert: Im November 2015 beschlagnahmten Ermittler in der demokratischen Republik Kongo eine große Menge Arzneimittelpackungen, in denen sich irgendeinwelche Substanzen befanden, allerdings keine Spur von Amoxicillin oder Ampicillin, wie auf den Etiketten angegeben war.
Nach einer Schätzung der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) aus dem Jahre 2004 sind in manchen Teilen Afrikas bis zu 50 Prozent aller verkauften Medikamente gefälscht. Weltweit sollen es etwa 15 Prozent sein, in Deutschland immerhin auch ein Prozent.
Ein Kilo Viagra bringt doppelt so viel wie ein Kilo Heroin
In Entwicklungsländern betrifft das am häufigsten Antibiotika, Malaria-Mittel und Medikamente gegen Tuberkulose und HIV.
Bei uns in Deutschland hingegen finden vor allem unechte Lifestlye-Medikamente wie beispielsweise Anabolika ihre Abnehmer. Weltweiter Spitzenreiter ist Viagra. Ein Kilo davon bringt auf dem Schwarzmarkt fast doppelt so viel wie ein Kilo Heroin. Betroffen sind natürlich vor allem Leute, die ihre Pillen in windigen Online-Apotheken bestellen. Selbst schuld, ist man geneigt zu sagen, aber damit ist das Problem noch lange nicht aus der Welt.
Auch ich bin immer wieder mit der Thematik in Berührung gekommen. Einmal kam ein Patient in die Notaufnahme und bat darum, dass man ihm eine mit kyrillischen Buchstaben beschriftet Ampulle obskurer Herkunft spritzen sollte. War wohl irgendein „Aufbaumittel“.
Und auch sonst kommt es hin und wieder vor, dass Patienten zwielichtige Medikamente mitbringen, wer weiß, woher. Schon vor Jahren sprach ich mit Bodybuildern, die zugaben, sich Anabolika besorgt zu haben. Passenderweise gibt es scheinbar dann auch direkt Leute im Fitnessstudio – meist Krankenpfleger oder Ärzte – die einem das Zeug für einen gewissen Obolus spritzen.
Medikamentenhandel nach Mafia-Art
Vor einigen Jahren wurden in italienischen Kliniken große Menge von Medikamenten entwendet und den Ganoven gelang es, die heiße Ware über ein Netz von Strohmännern und Scheinfirmen schließlich seriösen Großhändlern unterzujubeln, sodass das Diebesgut in Form von „Parallellimporten“ in deutschen Apotheken auftauchte. Hier profitierten die Dunkelmänner von der Regel, dass Apotheken aus Kostengründen angehalten sind, einen Teil ihrer Lieferung aus solchen Parallellimporten zu beziehen.
Gerne gefälscht werden auch extrem teure Medikamente, die bei Hepatitis oder Tumorerkrankungen Anwendung finden (z.B. Sutent, Avastin oder Herceptin). Die Hersteller arbeiten an neuen Sicherheitssystemen, aber die Gangster aus dem Umfeld der Mafia arbeiten ebenfalls hochprofessionell.
Die alte Masche funktioniert also immer noch. Harry Lime würde sich ins Fäustchen lachen.