Im Bereich der Pädagogik halten sich immer noch urbane Legenden und Horrorgeschichten, die der Göttinger Gerald Hüther in Talkshows und sonstigen Gelegenheiten verbreitet. Aber wie ist es mit dem Wahrheitsgehalt bestellt ?
Ich befürchte, kaum ein einzelner "Wissenschaftler" hat der Neurobiologie soviel Schaden zugefügt, wie G. Hüther.
Seine irrationale Behauptung, dass die Verabreichung von Methylphenidat an einer handvoll Ratten darauf hinweise, dass die Hirnentwicklung von Kindern mit ADHS im späteren Leben gestört werde, ist wie eine urbane Legende in bestimmten Kreisen verbreitet und lässt sich nicht ausrotten. Hüther hat seit vielen vielen Jahren selber keine eigene Foschung im Bereich Neurobiologie publiziert. Aber wird dennoch landauf und landab als "Experte" eingeladen.
Und natürlich denkt man - als nicht betroffener Laie - schlecht über die Verabreichung von Psychopharmaka ausgerechnet an Kindern. Entsprechend werden bzw. wurden wir in den vergangenen Jahren ja auch in praktisch jedem Fernsehbeitrag zu ADHS geradezu zerrissen, was die Pharmakotherapie bei ADHS angeht. Sieht man vielleicht mal von Dr. Skrodzki (und früher Prof. Trott) ab, so traut sich auch kaum ein ADHS-Experte mal sich öffentlich FÜR die Pharmakotherapie bei ADHS im Kindesalter auszusprechen. Oder findet halt kein Gehör.
Obwohl der Wahrheitsgehalt Hüthers damaligen Untersuchungen eigentlich unter denen der Erzählungen der Gebrüder Grimm liegt, haben es seither in Deutschland Wissenschaftler und Therapeuten schwer, diesen Aberglauben auszurotten. Jedes Argument, ist hier offenbar fruchtlos.
Natürlich ist die Beschäftigung mit den neurobiologischen Grundlagen von ADHS schon seit vielen Jahrzehnten eines der Hauptgebiete in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bzw. überhaupt der Neuropsychologie und Neurobiologie. Die Anzahl von Publikationen ist schier unübersehbar.
Auch wenn wir inzwischen eine ziemlich gute Vorstellungen haben, wie sich die neuronalen Netzwerke und damit auch die Vernetzung bzw. "Dicke" einzelner Strukturen im Gehirn bei Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit einer ADHS-Konstiutution von neurotypischen Kindern unterscheiden, so gibt es doch nicht den einzelnen "Marker", der nun ADHS beweist oder ausschliesst. ADHSler haben häufig eine Entwicklungsverzögerung der Vernetzung bestimmter Hirnareale. Das bedeutet, dass im Laufe des Lebens (meist bis ca zum 24. Lebensjahr) eine Nachreifung bzw Vernetzung noch erfolgt.
Oder eben nicht, was dann mit einem schlechteren funktionellem Ergebnis und schlechteren Alltagsfunktionen und Lebensqualität verknüpft sein dürfte.
ADHS ist eine Spektrum-Störung mit extrem hohem genetischen Anteil , d.h. an den biologischen Ursachen sind zahlreiche Gene im Wechselspiel mit Umweltfaktoren beteiligt.
An der Universität Groningen wurde jetzt eine Doktorarbeit abgeschlossen, die sich mit dem derzeitigen Stand des Wissens über den Einfluss von Psychostimulanzien auf die Hirnentwicklung beschäftigt.. In ADHS - Kreisen hat Jan Buitelaar als einer der Betreuer der Arbeit einen herausragenden Ruf.
Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass in neurobiologischen Untersuchungen ein statistisch belegbarer negativer Einfluss der Medikamentengabe auf die Hirnentwicklung zu erkennen ist.
Wenn überhaupt, sei ein (wenn auch nicht sicher belegbarer bzw. messbarer) positiver Effekt zu beschreiben.
Das heisst natürlich aber auch, dass nun über die Gabe der Medikamente keine wundersame Heilung bzw. Beseitigung der neurobiologischen Veränderungen zu erwarten sind. ADHS-Medikamente allein lösen keine Probleme. Aber sie helfen, Probleme zu erkennen und die Selbstwirksamkeit im Umgang mit den Besonderheiten von ADHS in Schule, Ausbildung und Privatleben zu meistern. Zuerst gebloggt in meinem Heimat-Blog ADHSSpektrum