Babyalarm

BabyalarmLos geht’s, Tag 1! Hoch motiviert und doch ziemlich aufgeregt starte ich meine Famulatur. Schon in den ersten zehn Minuten stolpere ich durch sämtliche Fettnäpfchen, die ich zu meiden geplant hatte. Verhaspelte Begrüßung, konfuse Vorstellung, roter Kopf – so nervös bin ich einfach nicht ich selbst. Für mich zuständig ist eine charismatische Anästhesistin mit viel Berufserfahrung. Ihr zugeteilt wurde ich vom Oberarzt - die Begeisterung für ihre neue Rolle als Famulanten-Sitterin hält sich leider in Grenzen.

Erstens kommt es anders ...

Das Programm sieht einen Tag voller Routineeingriffe vor, dabei könne ich erst mal in Ruhe bei allem zusehen – so der Plan der Ärztin. Kaum ausgesprochen, wurde der auch schon von einem Anruf aus dem Kreissaal gesprengt. Man schicke eine werdende Mutter runter, die schon zu lange in den Wehen läge. Planänderung also, die Routineeingriffe mussten warten. Kaum war das Kind per Kaiserschnitt gesund auf der Welt, wurde schon die nächste Schwangere angekündigt. Auch sie wurde den geplanten Operationen vorgezogen und so waren die ersten Stunden meiner Famulatur gleichzeitig auch die ersten Stunden von zwei neuen Menschen auf dieser Welt.

Bilder für den Langzeit-Speicher

Die Eindrücke der „Sectio“ werden mir in Erinnerung bleiben: Wie Gynäkologen keine fünf Minuten nach dem ersten Hautschnitt schon das Kind in den Händen halten. Wie skurril es aussieht, wenn ein Baby aus dem aufgeschnittenen Bauch einer Frau gezogen wird. Wie sich auf der anderen Seite der Abdeckung eben jene Frau gleichzeitig seelenruhig mit ihrem Mann unterhält. Wie fast jeder im Krankenhaus das Kind schon auf dem Arm gehabt hat, bis die Mutter es überhaupt zu Gesicht bekommt. Und wie besonders die Stimmung bei den Anwesenden ist, trotz aller Erfahrenheit und Routine.

Der erste Notfall Anschließend wurde zum Tagesgeschäft übergegangen – vorerst. Es dauerte nicht lange, bis ein Anruf einen weiteren dringenden Kaiserschnitt ankündigte. Die reibungsfreien Sectios vom Morgen noch so frisch vor Augen, wurde mir schon beim Einleiten der spinalen Betäubung deutlich, dass diese Geburt anders laufen würde. Dem Kind gehe es schlecht, die Herzfrequenz falle ab und es müsse jetzt schnell gehen. Der ganze Saal arbeitete hoch konzentriert, wenige Minuten später war das Kind in den Armen der Hebamme. Es war Gold wert, dass ich bereits zwei problemlose Kaiserschnitte mit gesunden Kindern gesehen hatte – der Lehreffekt dieser angespannten Situation hätte nicht größer sein können. Während das Babygeschrei am Morgen bis in die anderen Säle zu hören war, gab Baby Nr. 3 nur leises Wimmern von sich. Kein wütendes Schreien, kein Gestrampel. Die Hebamme schaltete sofort und rief die Anästhesistin dazu. Nach einem schnellen Check wurde beschlossen, die Kinderärztin kommen zu lassen und den Jungen unterstützend zu beatmen. In der Uni wurde uns erklärt, dass Kinder eigene, spezielle Anzeichen der Atemnot zeigen. Was genau jedoch „Nasenflügeln“ und „Einziehungen“ beschreibt, wurde mir erst so richtig klar, als dieses um Luft ringende Würmchen vor mir lag. Gleichzeitig wurde hier nochmal deutlich, warum das A und O eines jeden Notfalls ein sicherer Atemweg ist. Die Ursache für die Atemnot konnte in der Situation weder herausgefunden noch beseitigt werden. Trotzdem reichte die simple Maßnahme einer Masken-Beatmung aus, um den Jungen am Leben zu halten und die weiteren Schritte in Ruhe zu planen. So wurde der Kleine eine Stunde nach seiner Geburt von einem Team der Kinderklinik abgeholt. Der kleine Patient wurde an die Spezialisten übergeben und die Eltern beschlossen, dass der Vater seinen neugeborenen Sohn begleiten werde- auch wenn das bedeutete, dass er seine Frau noch während der OP verlassen musste. Mein Fazit: positiv bleiben! Die Tragik dieses Nachmittags begleitete mich in meinen ersten Feierabend. Dass diese junge Familie jetzt vorerst auf zwei verschiedene Krankenhäuser verteilt ist, dass die Mutter ihr eigenes Kind erst treffen wird, wenn es einige Tage alt ist – all das tut mir von Herzen Leid. Aber natürlich ist es ein Erfolg, dass es diese Familie jetzt überhaupt gibt. Und die Tage der Trennung werden hoffentlich schnell bei einem umso schöneren Wiedersehen in Vergessenheit geraten.Bildquelle: https://static.pexels.com/photos/185934/pexels-photo-185934.jpeg