In Zimmer 6 liegt Frau Sacher. Ich mag die Torte. Lecker, Schokolade, dazu noch Marmelade. Frau Sacher mag die Torte wohl auch. Nicht nur ab und zu. Das metabolische Syndrom lässt grüßen. Frau Sacher ist knapp 50. Die Arterien und Venen ihrer Blutbahn möchte ich gar nicht sehen.
Ob da überhaupt noch genug Blut im Gehirn ankommt? Und in den Zehen? Und die Leber erst. Ob da noch rote Farbe ist? Oder alles schon gelb? Das Herz. Eigentlich ein Muskel. Und erst das Pankreas. So viel Insulin kann das arme Pankreas gar nicht produzieren.
Die Wirbelsäule? Der geht es, denke ich, verhältnismäßig gut. So viel Östrogen hilft dem Knochen. Den Bandscheiben sicherlich nicht. Aber die Osteoporose dürfte hier vielleicht nicht Hauptthema sein. Weiter zur Lunge. Die hat ganz schön was zu atmen. Das Narkosegerät wird sich später bedanken. Endlich mal mit ein bisschen Druck arbeiten.
Magen kaputt, Haut besiedelt, Bein kaputt
Der Magen-/Darmtrakt? Wegen chronischer Überlastung geschlossen. Die Haut? Armes Ding. Niemand gibt acht auf sie. Überall gerötet, Pilze haben sich angesiedelt. Die mögen es feucht und warm. Frau Sacher spürt auch die kleinen Löcher am Zeh und am Fußballen nicht.
Apropos Füße. Ich fange an zu schwitzen. Ihr Bein ist ganz schön schwer. Da ist das Metallgestänge Nebensache. Ich spreche nebenbei in das Telefon, das mir die Krankenschwester ans Ohr hält. „Ja, Herr Oberarzt. Sie müssen Punkt 2 auf dem OP-Plan wirklich verschieben. Frau Sacher ist gleich auf dem Weg in den OP zu Ihnen.“
Frisch operiert und gleich mal ausprobiert
Frau Sacher hat nämlich heute irgendwie vergessen, dass sie sich das Sprunggelenk gebrochen hat. Und hat sich dann gleich mal auf ihr gestern frisch operiertes und mit einem Fixateur externe versorgtes Sprunggelenk gestellt. Mit dem vollen Körpergewicht.
Deshalb halte ich jetzt ein ziemlich schweres Bein. Mit einem Metallgestänge dran, das nicht mehr da ist, wo es mal war.