Frau A., jung und ansonsten gesund, kommt mit rechtsseitigen Unterbauchschmerzen auf den Notfall. Seit zwei Tagen habe sie diese Beschwerden, ein bisschen Fieber, ansonsten bestünden keine Begleitsymptome. Keine Grunderkrankungen. Keine Voroperationen. Das CRP und die Leukozyten hoch. Im Ultraschall ein verdickter Blinddarm.
Ich kläre die Patientin über das Krankheitsbild der akuten Appendizitis auf, sowie über die Therapiewahl Nummer 1 (Operation) und die damit verbundenen Risiken: Blutung, Wundinfekt, Verletzung angrenzender Strukturen, Laparotomie, Drainageeinlage.
Eine Stunde später landet Frau A. auf dem Tisch. Ich führe die diagnostische Laparoskopie durch, die Appendix ist verdickt, klebt retrocaecal und ist auch noch perforiert. So weit, so schlecht, so gut. Eine Stunde später ist der Wurm draußen, die Patientin im Aufwachraum. Zwei Tage später geht Frau A. geheilt und ohne Schmerzen nachhause. Alles wie immer. Schema F. Ich frage mich, warum es genau Schema F heißt. Aso, preußische Frontrapporte also.
Dann kommt der Pathohistologiebefund ...
Drei Tage nach dem Eingriff trudelt der Pathohistologiebefund ein. Akute Appendizitis. Plus Tumor. T3. Die Frau ist wenige Jahre älter als ich. Scheiße.
Ich stelle den Fall beim Tumorboard vor, eine Hemikolektomie rechts. Anschließend informiere ich den Hausarzt der Patientin. Ich drücke mich vor dem Telefonat mit der Patientin und führe das Gespräch zuvor mehrmals im Kopf, um mir zu überlegen, wie ich ihr diese Diagnose schonend beibringe.
Schonend – funktioniert das überhaupt in diesem Zusammenhang? Was, wenn sie alleine zuhause ist und sich dann verzweifelt vom Balkon wirft? Soll ich es ihr lieber persönlich mitteilen? Wie soll ich sie vorzeitig in die Sprechstunde einbestellen, ohne dass sie Verdacht schöpft?
Ich fasse Mut und rufe sie an
Letztendlich wähle ich ihre Nummer und erzähle ihr ruhig und sachlich, weswegen ich mich melde. Dass es mir leid tue, ihr so eine Nachricht überbringen zu müssen, sage ich und frage mich, ob so eine Aussage in so einer Situation passend ist.
Sie erkundigt sich, wie es jetzt weitergehe und ich erkläre ihr, dass sie in die Sprechstunde kommen soll, damit wir den zweiten Eingriff planen können. Es handelt sich um ein T3-Stadium, aber es lagen noch keine Metastasen vor und ich freue mich für die Patientin, dass es durch die Blinddarmentzündung immerhin zur „Nebendiagnose“ der Krebserkrankung gekommen ist, bevor Filiae entstanden sind.