Warum manche an Asthma erkranken und andere nicht, ist Gegenstand vieler Forschungen. Eine neue Studie zeigt, dass Amish People seltener unter Asthma leiden. Ihr Hausstaub enthält mehr mikrobielle Bestandteile und dies scheint die bronchiale Überempfindlichkeit zu verringern.
Die Frage, warum einige Menschen an Asthma bronchiale erkranken und andere nicht, ist Gegenstand vieler Forschungsarbeiten. Bekannt ist, dass die Entstehung von Asthma bronchiale ein komplexes Zusammenspiel aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren ist. Die bisher größte Studie mit mehr als einer Million Kindern wurde von Tove Fall von der Universität Uppsala und Kollegen durchgeführt. Sie wiesen nach, dass das Risiko einer Asthmaerkrankung für sechsjährige Kinder, in deren Haushalt im ersten Lebensjahr ein Hund gelebt hatte, um 13 Prozent niedriger war. Wuchsen die Kleinen auf einem Bauernhof auf, erhielten sie mit sechs Jahren zu 50 Prozent seltener die Diagnose „Asthma“.
Dass Kinder, die sich häufig im Kuhstall aufhalten, seltener an Asthma und Allergien erkranken als Kinder, die nicht auf einem Milchviehbetrieb groß werden, ist schon seit Längerem bekannt. Vor einem Jahr konnten deutsche Wissenschaftler [Paywall] den Grund hierfür zeigen. Im Staub der landwirtschaftlichen Betriebe befinden sich nämlich Zellwand-Bestandteile verschiedener Bakterien. Diese sogenannten Endotoxine werden von den Kindern eingeatmet und stimulieren unter anderem ein bestimmtes Enzym in der Schleimhaut der Atemwege. Dieses Protein mit dem Namen „A20“ blockiert sodann einen Transkriptionsfaktor, wodurch die Entzündungskaskade gestoppt wird. Die Endotoxine im Staub der Bauernhöfe können Kinder vor Asthma und Allergien schützen.© Mario Spann, flickr Ohne A20 funktioniert der Schutz nicht, wie die Forscher mithilfe von Tierversuchen zeigen konnten. So entwickelten Mäuse, die das Enzym nicht bilden konnten, auch dann Asthma-Beschwerden, wenn ihnen täglich Endotoxin- beziehungsweise der Stallstaub verabreicht wurde. Zudem waren die Tiere besonders anfällig gegenüber Allergenen. Das Enzym A20 wird von dem Gen TNFAIP3 gebildet. Dieses kommt in mehreren Variationen vor, wobei eine das Risiko für Asthma und Allergien erhöht. Auch der Endotoxin-Schutz hängt davon ab, welche Mutation vorliegt: Bei einer Variante können die Endotoxine Asthma fast vollständig unterdrücken, bei der anderen schützen sie nur noch zu etwa 30 Prozent vor der Lungenerkrankung.
Angehörige der amischen als auch der hutterischen Religionsgemeinschaft leben in ländlichen Regionen mit geringer Belastung durch Luftschadstoffe. Sie ernähren sich beide von den Produkten der Landwirtschaft. Ihre Nahrung beinhaltet ähnlich viel Fett, Salz und rohe Milch. Die Erwachsenen rauchen nicht und die Kinder sind schlank, geimpft und werden von ihren Müttern lange gestillt. Auch der ethische Hintergrund beider Gruppen ist ähnlich. Die Amischen sind im 17. Jahrhundert aus der Schweiz und die Hutterer im 18. Jahrhundert aus Südtirol nach Amerika ausgewandert. Seitdem sind beide Religionsgemeinschaften unter sich geblieben. Die Amischen jedoch haben die traditionelle Landwirtschaft unverändert weitergeführt. Jede Familie betreibt ihren eigenen Bauernhof mit Milchvieh und benutzt Pferde für den Transport sowie die Feldarbeit. Die Hutterer dagegen arbeiten auf großen, kommunalen Farmen und verwenden moderne, industrialisierte landwirtschaftliche Maschinen. Ihre Kinder wachsen in größerer Entfernung zu dem landwirtschaftlichen Betrieb auf als die der Amischen. Die Amischen verzichten auf Maschinen und Traktoren.© Tibby's Harley-Davidson, flickr Amerikanische Wissenschaftler fanden nun heraus, dass nur fünf Prozent der amischen und etwa 21 Prozent der hutterischen Kinder zwischen sechs und 14 Jahren unter Asthma leiden. Zum Vergleich: In den USA erkranken etwa zehn Prozent der fünf- bis 14-Jährigen an Asthma. Um diesen Unterschied auf dem Grund zu gehen, nahmen die Wissenschaftler 30 amischen und 30 hutterischen Schulkindern Blut ab. Kinder unter sechs Jahren wurden von der Studie ausgeschlossen. „Die Amischen hatten mehr und jüngere Neutrophile sowie Blutzellen, die eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von Infektionen spielen, und weniger Eosinophile – also Blutzellen, die die allergische Entzündung fördern,“ so die Koautorin Anne Sperling von der Universität von Chicago. Zudem waren bei den Amischen bestimmte Schlüsselgene des angeborenen Immunsystems verstärkt aktiviert. Um nun herauszufinden, was diesen Unterschied bewirkt hatte, nahmen die Wissenschaftler in den Wohnhäusern der Kinder Staubproben. Dabei fanden sie im „amischen Staub“ mehr mikrobielle Bestandteile als in dem von den Hutterern. Wurde dieser Staub Mäusen über die Nase verabreicht, verringerte sich bei den Tieren, die die amische Probe erhalten hatten, die bronchiale Überempfindlichkeit sowie die Menge an Eosinophilen. Der Staub aus den Häusern der Hutterer zeigte dagegen keinen protektiven Effekt. Welche Mikroorganismen für den Schutz verantwortlich waren, wurde von den Wissenschaftlern nicht erforscht. Fehlten den Mäusen die Proteine MyD88 und Trif, hatte der Staub keine schützende Wirkung. MyD88 und Trif sind Bestandteil des angeborenen Immunsystems. Sie spüren Antigene auf, die dann durch neutrophile Granulozyten abgewehrt werden.
Die Aufgabe des Immunsystems ist es, den Körper vor fremden Substanzen oder Lebewesen zu beschützen. Es kann in eine angeborene und eine erworbene Immunreaktion unterteilt werden. Erstere ist schnell am Ort des Geschehens. Sie ist nicht auf bestimmte Krankheitserreger spezialisiert, sendet aber Signale, die dem erworbenen Immunsystem helfen. Wird das angeborene Immunsystem nun aufgrund beispielsweise weniger Endotoxine kaum stimuliert, erhöht dies das Allergie- und Asthma-Risiko. Allerdings ist es nicht das Ziel der Forscher, der Bevölkerung eine amische Lebensweise zu empfehlen. „Wir können nicht in jedes Familienwohnhaus eine Kuh stellen,“ so Koautorin Carole Ober von der Universität Chicago. Die Hoffnung liegt vielmehr in der Entwicklung neuer Medikamente. Denkbar wären beispielsweise spezielle Nasensprays. Unterstützt wurde die Studie von dem National Institutes of Health, der St. Vincent Foundation und dem American Academy of Allergy, Asthma & Immunology Foundation.