Nur um eins gleich mal klarzustellen, ich habe größten Respekt vor ihnen. Nach einem Atomkrieg sind wahrscheinlich die einzigen Überlebenden Ratten und Zecken. Letztere können jahrelang im Wasser überleben, weshalb Ertränken keine endgültige Lösung ist. Klo runterspülen ist dabei eingeschlossen.
Seitdem ich das weiß, habe ich immer Angst, eine Zecke könnte die Kloschüssel wieder hochgekrochen kommen. Die einzig sichere Methode, der selben Zecke kein zweites Mal zu begegnen, ist sie anzuzünden, anzufachen, in Brand setzten, ihr einzuheizen. Zu Zecken gibt es in den sozialen Medien die wundersamsten Geschichten, die sich derart schnell verbreiten, dass man, würde man sich eine Geschichte ausdenken, spätestens am Folgetag mit den Worten „wusstest du schon“ verlinkt wird. Hier kommen meine Lieblings-Mythen, auf Vollständigkeit wurde bewusst verzichtet.
Mythos Nr 1: Zecken müssen rausgedreht werden
Alte Mär, aber immer wieder gut. Man kann Zecken mit einer leichten Drehung raushebeln, dagegen spricht erstmal nichts. Sie haben aber kein Schraubgewinde am Kopf, sodass links- oder rechtsdrehend total egal ist. Wenn man „falschherum“ dreht sitzt die Zecke also nicht fester als zuvor. Zudem sind Zecken wie Kinder mit drei Tonnen verspeisten Süßigkeiten auf der Kirmes. Setzt man sie in ein sich drehendes Fahrgeschäft, müssen sie sich übergeben, nur dass der Mageninhalt einer Zecke voller Keime ist.
Mythos Nr. 2: Kokosöl for President
Kokosöl hilft natürlich gegen alles, von Krebsleiden bis hin zum Weltfrieden ist es multifunktional einsetzbar, AUßER bei Zecken. Sie damit einzureiben, drum herum reiben oder ähnliches hat den selben Effekt wie die Kirmesgeschichte. Gemessen an ihrer Körpergröße, kommt es schnell zu einem übermäßigen Genuss von Kokosöl und damit verbundenem Brechreiz. Das gilt auch für Butter, andere Frittierfette und Cremes. Auch der gute Uhu-Kleber ist kontraproduktiv. Meine Mutter hatte mal unseren Hund bzw. dessen Zecke eingebuttert. Stunden später sah ich das goldgelbe glitschigen Ding auf dem Parkett spazieren gehen. Ja, es hatte offensichtlich vom Hund abgelassen, war aber wohl auf der Suche nach dem nächsten Opfer. Wer also keine Walking Zecke haben möchte, der sollte von dieser Idee Abstand nehmen.
Mythos Nr. 3: Zecken müssen archiviert werden
Ich gebe zu, dass ich das auch gemacht habe. Irgendwann fragte mich jemand nach dem Warum und spätestens zu diesem Zeitpunkt war auch mir klar, dass es Unsinn ist. Zecken unter Tesafilm an den Kühlschrank gepinnt mögen hübsch anzusehen sein, haben aber keinen diagnostischen Nutzen. Man könnte auch jede Zecke ins Labor schicken und auf Krankheiten untersuchen lassen, das würde aber nichts darüber aussagen, ob man sich nun infiziert hat oder nicht. Einzig der Familie der Zecke würde es helfen zu wissen, dass diese todkrank war und es eh nicht mehr lange gemacht hätte. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass man nie sicher sein kann, ob sie sich nicht einfach nur tot stellt und doch unterm Tesafilm weiterlebt. Da wären wir also wieder bei der Walking Zecke. Bedauerlicherweise bleibt also nur, die Einstichstelle zu markieren und bis zu vier Wochen lang zu beobachten. Wer sich für diese Tiere interessiert, sollte sie lieber in einer Becherlupe sammeln. Allerdings empfiehlt es sich, diese ausbruchsicher mit fünf kg Paketband zu verschließen.
Mythos Nr. 4: Eine Zecke ist kein Axolotl
Manchmal bleibt der Zeckenkopf beim Entfernen stecken. Erfreulicherweise wächst der Körper NICHT nach. Dem Axolotl wachsen amputierte Gliedmaßen nach, eine Verwandtschaft zur Zecke besteht nicht. Bleibt der Kopf stecken, macht man das gleiche, wie wenn er nicht stecken geblieben wäre. Desinfizieren, markieren, beobachten. Sollte es rot werden, ab zum Arzt.
Mythos Nr.5: Zecken sind kein lebensbedrohlicher Notfall
Eine Zecke muss nicht nachts um drei vom Notarzt entfernt werden. Je länger eine Zecke im Körper verbleibt, desto eher muss sie sich vor Langeweile übergeben. Wenn ich also den Notarzt rufe, dieser 10–15 Minuten braucht, um vorzufahren, die Fahrt ins Krankenhaus auch nochmal 15 Minuten dauert, die Wartezeit bei der Anmeldung vielleicht drei bis vier Stunden beträgt (weil der diensthabende Arzt zum eigenem Ärgernis gerade jemanden reanimiert muss), sind vier bis fünf Stunden schnell vergangen. Wenn ich mich um drei Uhr nachts schlaftrunken bis zum Badezimmerschrank begebe, weil ich nur eine Pinzette und keine Zeckenzange oder ähnliches Werkzeug im Hause habe, kann ich sogar noch einen Latte Macchiato machen und würde trotzdem unter 15 Minuten bleiben. Klarer Vorteil für die Do-it-yourself-Variante.
Mythos Nr. 6: Die Unerschrockenen
Der Mythos, man könne mit 15–30 Zecken am Leib einfach in friedlicher Koexistenz leben, weil man gegen Borreliose geimpft ist, lies mich sprachlos werden. Weiterhin sollte man sich von erkrankten Meningitisfällen fernhalten, auch wenn man eine FSME-Impfung (Frühsommer-Meningo-Enzephalitis) hatte. Diese hilft nicht gegen die „normale“ Meningokokken. Hört sich nur ähnlich an.
Mythos Nr. 7: Zecken haben einen Sinn für die schönen Künste
Kreisende Bewegungen mit Eiswürfeln oder Wattestäbchen um die Zecke, werden von dieser nicht staunend mit Applaus kommentiert. Erstens hat sie keine Hände, zweitens ist ihr das herzlich egal. Schlimmstenfalls ist sie genervt und muss sich übergeben, da hilft auch kein Kokoseis. Wer an brennende Wattestäbchen zwecks Feuerbestattung denkt, sollte das nur tun, wenn diese schon den Wirt verlassen hat oder man eine gute Verbrennungsstation um die Ecke hat.
Wahrheit oder Mythos Nr. 8: Zecken sind kitzelig
Ein medizinisch bewanderter Mensch behauptet steif und fest, dass Zecken am Po kitzelig sind. Man müsse sie vor dem Entfernen mit der Pinzette am Allerwertesten kitzeln, dann wäre das Entfernen viel leichter. Ich habe dazu nichts gefunden, auch die Tierärzte halten sich bedeckt und Tierversuche werden ja streng reglementiert. Wer also in seiner Becherlupe schon ein paar Exemplare gefangen hält, den bitte ich oben Beschriebenes auszuprobieren. Sollte die Zecke sich vor lachen auf dem Rücken wälzen, ohne sich zu übergeben, bitte hier die Forschungsergebnisse dokumentieren. Bis dahin: Zecke sehen, rausholen, Wunde desinfizieren und entsorgen.