Haaranalysen spielen zunehmend eine Rolle in der Medizin. Drogenanalytik, Alkoholnachweis, das Aufdecken von Vitamin- und Mineralstoffdefiziten sind nur einige Felder. Nicht selten sind einige Ergebnisse aber an den Haaren herbeigezogen.
Während der Haarneubildung können sich Drogen, Chemikalien und Medikamente im Haar einlagern. Dort bleiben die Subtanzen gespeichert und wachsen fixiert in der Haarmatrix nach außen. Wie bei einem Fahrtenschreiber kann eine Aussage über die Exposition zu einer bestimmten Zeit getroffen werden, so zumindest die bisherige Annahme.
Wie falsch die Haaranalyse sein kann, zeigen viele Fälle: Vor acht Jahren gab ein Feuerwehrchef aus Florida Alarm, weil er glaubte, das zahlreiche seiner Mitarbeiter vergiftet seien. Er schaltete besorgt die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) ein, weil bei 30 Feuerwehrleuten Antimonwerte in den Haaren gefunden wurden. Mehr als eine Million Firefighters tragen Uniformen, die mit Antimonoxid als brandhemmendes Mittel versetzt sind. Das CDC bestätigte die stark erhöhten Werte der Haaranalyse und gab dennoch Entwarnung. Blut- und Urinproben wiesen keine erhöhten Werte auf. Ein Beleg dafür, dass die Fehlinterpretation von Haaranalysen zu Fehleinschätzungen führen kann. Entwarnung gab die CDC auch in anderen Fällen für erhöhte Quecksilberwerte.
In der forensischen Drogenanalytik spielt die Haaranalyse eine extrem wichtige Rolle. Der Konsum illegaler Substanzen lässt sich noch nach Monaten oder gar Jahren nachweisen. Der Bedarf an solchen Tests ist groß. Im Internet kann man mittlerweile für wenig Geld das Problem scheinbar lösen. Zydot® soll den Urin von allen Giftstoffen und illegalen Substanzen befreien. Zydot ultra clean soll sogar Drogen und Medikamente aus dem Inneren des Haares waschen. Würde das wirklich funktionieren, wäre eine Dialyse überflüssig und Christoph Daum vermutlich Bundestrainer.
Bisher ging man davon aus, dass eine Drogenanalytik im Haar hieb- und stichfeste Beweise liefert. Um dies zu widerlegen, schluckten der Toxikologe Prof. Volker Auwärter und sein Team der Universität Freiburg Kapseln mit dem synthetischen Cannabiswirkstoff Dronabinol. Über einen Zeitraum von einem Monat nahmen sie täglich 2,5 mg zu sich. Die orale Aufnahme sollte sicherstellen, dass die Haare nicht kontaminiert werden konnten. THC war zwar im Blut der Probanden nachweisbar, tauchte aber nicht in Kopf- und Barthaaren oder in der Körperbehaarung auf. Das Abbauprodukt THC-COOH, das ausschließlich im Körper gebildet wird, fand sich hingegen schon in den Haaren. Bisher wurde angenommen, dass die Substanz über den Blutstrom zur Haarwurzel in die Haare gelangt und somit bewiesen ist, dass der Konsument bei einem positiven Befund Cannabis aktiv konsumiert hat und nicht passiv aufgenommen hat. Der Test widerlegt diese auch gerichtlich verwertbare Falschannahme. Der Metabolit gelangt über Schweiß und Talg auf die Oberfläche der Haare. Andererseits bedeutet das auch, dass eine negative Haarprobe nichts über den tatsächlichen Cannabiskonsum aussagt. „Die neuen Erkenntnisse sind insbesondere bei Analysen von Kinderhaarproben im Rahmen von Sorgerechtsfragen von Bedeutung“, so Auwärter, „da eine Cannabinoid-Übertragung bei engem Körperkontakt besonders wahrscheinlich ist und zu völlig falschen Rückschlüssen führen kann.“ In mehreren Gerichtsprozessen wurde Eltern das Sorgerecht entzogen, weil sich in den Haaren der Kinder Drogenmetabolite nachweisen ließen, obwohl die Eltern beteuert hatten, keine Drogen verabreicht zu haben.
Seit etwa zehn Jahren kann auch das Alkoholtrinkverhalten mittels Haaranalytik retrospektiv erfasst werden. Dazu werden die beiden direkten Alkoholmarker Ethylglucuronid (EtG) und Fettsäureethylester (FAEE) quantitativ bestimmt. Ethylglucuronid wird in der Leber beim Alkoholabbau bereits bei geringem Alkoholkonsum gebildet. Als Abstinenzkontrolle zur „Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung“ ist die Haaranalyse gut geeignet. Der Cutoff-Wert liegt hier bei 7 pg/mg. Im Haar lässt sich Alkoholmissbrauch und abstinentes Verhalten über einen längeren Zeitraum beweisen. In der Fahreignungsdiagnostik werden dabei in der Regel drei Zentimeter lange, kopfnahe Haarteile untersucht und bei Unterschreitung des Cutoff-Wertes eine Abstinenzaussage für drei Monate getätigt. Bei einigen Fragestellungen kann eine ergänzende Untersuchung auf Fettsäureethylester (FAEE) sinnvoll sein. Die im Stoffwechsel aus Fetten freigesetzten Fettsäuren reagieren mit Ethanol zu ihren Fettsäureethylestern. Diese gelangen über die Talgdrüsen in das Haar, wo sie eingelagert werden und sich mit dem Haarwachstum voranschreitend im Haar verteilen. Ethanolmetabolite sind im Serum für Stunden, im Urin für bis zu sieben Tage, im Vollblut über zwei Wochen und in Haaren über Monate nachweisbar. In einem Konsensus der Society of Hair Testing wird eine FAEE-Konzentration von über 0,5 ng/mg Haare und/oder eine EtG Konzentration über 30 pg/mg Haare in den kopfnahen 0–6 cm als ein eindeutiger Beweis für exzessiven und regelmäßigen Alkoholkonsum interpretiert.
Die Haar-Analyse zum Zweck des Doping-Nachweises ist beispielsweise in Frankreich erlaubt. Von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ist sie allerdings nicht zugelassen. Positive Ergebnisse allein reichen als Grundlage für eine Sperre nicht aus. Farbstoffe und Pigmente wie Melanin im Haar reichern bestimmte Substanzen in hohem Maße an. Wer dunkles Haar hat, kann mehr Drogen oder andere Stoffe einlagern. In blondem Haar hingegen werden die Substanzen in geringerem Ausmaß gespeichert, so eine Studie von Skopp et al.
Patienten, die Umweltverschmutzung, Belastungen am Arbeitsplatz, oder eine Unterversorgung mit Spurenelementen als Ursache ihrer Beschwerden vermuten, erhoffen sich durch eine Haaranalyse Hilfe. Haaranalysen zur Quantifizierung von Umweltbelastungen werden in den letzten Jahren zunehmend von verschiedenen Stellen, unter anderem von fast 200 Apotheken in Deutschland angeboten. Für die umweltmedizinische Beurteilung der Analysenergebnisse von Haaruntersuchungen sind keine anerkannten Norm-/Referenz- oder umweltmedizinischen Grenzwerte evaluiert. Die Normbereichsangaben zeichnen sich dadurch aus, dass in der Regel erhebliche Variationen von Element zu Element und von Labor zu Labor angegeben werden.
Aktuelle wirbt ein Reformhaus mit der „Salus-Haaranalyse“ mit dem vollmundigen Versprechen: „Die daraus resultierenden Messergebnisse zeigen auf, ob und welche Unausgeglichenheiten in der Mineralstoff-Bilanz vorliegen und wie man mithilfe der Ernährung oder Nahrungsergänzungsmittel wieder ausgeglichene Werte erzielen kann“. Auf der Homepage der Firma Salus wird sogar propagiert, dass die Analyse einen Hinweis auf ein mögliches Infarktrisiko bietet. Am Schluss der Werbeaussagen findet sich der ehrliche Hinweis: „Die Haar-Mineral-Analyse wird in wissenschaftlichen Kreisen kontrovers diskutiert“.
Als Screeningverfahren großer Populationen kann die Haaranalyse nach Einschätzung der Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes lediglich zur Beurteilung der Belastung mit Nikotin, anorganischen Arsenverbindungen und Blei eingesetzt werden. Die US-amerikanische Agency for Toxic Substances and Disease Registry (ATSDR) sieht die Haaranalyse nur bei der Bestimmung von Methylquecksilber zur Ermittlung der individuellen Schadstoffbelastung als geeignet an.