Würde man mich um drei Uhr nachts aufwecken und fragen, was bei einer Rhinitis zu tun ist, ich könnte sofort meine Anleitung zum Druckausgleich aufsagen, denn ich brauche sie sehr oft. Das Prozedere ist einfach, die Ausführung auch. Die Patienten nicht immer.
Mögliche Folgen einer banalen Rhinitis sind eine Hörminderung mit Druck und ein Ohrgeräusch: der Paukenerguss! Vor vier Monaten kam eine Patientin zu mir mit genau diesen Beschwerden.
Ich gebe zu, dass dieses Krankheitsbild durchaus als störend und lästig empfunden werden kann. Immerhin ist ein Sinnesorgan betroffen. Natürlich habe ich grundsätzlich keine Zeit, aber ich erkläre jedem Betroffenen die Pathophysiologie, als wäre es das erste Mal in meinem Leben.
Denn erstens soll der Patient wissen, was er hat, und zweitens wirkt sich Wissen positiv auf die Compliance aus. Also erkläre ich, oft unterstützt mit Graphiken, wie es zur Entstehung dieses Krankheitsbildes kommt und wie man es therapieren kann.
Wie ich meinen Patienten den Weg erkläre
Meine Erklärung könnte so ablaufen: „Hinter dem Trommelfell ist ein mit Luft gefüllter Raum. Dort wird Schleim gebildet, von der dortigen Schleimhaut! Deshalb der Name! Aus diesem Bereich gibt es nur einen Ausgang: über die Nase! Wenn also die Nase anschwillt und dieser Gang blockiert ist, kann der Schleim aus dem Ohr nicht abfließen. Um diesen Vorgang rückgängig zu machen, müssen wir die Nase frei bekommen und den Gang zum Ohr, der verklebt ist, wieder öffnen. Zum Abschwellen nehmen Sie normales Nasenspray und machen dann eine halbe Stunde später einen Druckausgleich wie im Flugzeug oder beim Tauchen. (Ich halte meine Nase zu und puste meine Wangen auf.) Es muss dann in den Ohren knacken. Bis dieser zähe Schleim komplett abgeflossen ist und der Gang wieder funktioniert, können bis zu zwei bis drei Wochen vergehen. Also sind Ihre Mitarbeit und Geduld gefragt.“
Geschätzt 95% der Patienten verstehen das und kommen nicht wieder. Hoffentlich weil sie geheilt sind. Besonders Interessierten erkläre ich dann noch mehr über die Tubenfunktion.
Manche können es einfach nicht
Heute nun saß die etwas ungeduldig dreinblickende Patientin wieder vor mir und gab mir sehr deutlich zu verstehen, dass es sich nicht gebessert hätte und ich ihr nun endlich helfen sollte. Ein Blick ins Ohr und ich verstand gut, dass sie immer noch nicht gut hören konnte. Der vormals klare Erguss hatte sich deutlich in Richtung „bernsteinfarben“ entwickelt, also an Zähigkeit zugenommen. Das erschwerte es dem Trommelfell und den Gehörknöchelchen zunehmend, die aufgenommenen Schallwellen in Form von Schwingungen weiter zu leiten. Dies bestätigte das Audiogramm.
„Haben Sie denn den Druckausgleich regelmäßig durchgeführt?“, fragte ich.
Ja, aber es hätte nie geklappt! Deshalb sei sie ja nochmal hier!
„Hat es denn auf der anderen Seite geknackt?“, wollte ich wissen. Quasi als Indiz dafür, dass sie dieses als Valsalva bekannte Manöver überhaupt und vor allem richtig durchgeführt hatte. Einige Menschen können es einfach nicht. Die Gegenseite war nämlich immer gesund und hätte regelrecht reagieren müssen.
„Nein! Dort ist doch alles in Ordnung!“, entgegnete sie.
Es wird schwierig
Ich überlegte kurz, wie wir diese beiden Gesprächsebenen zusammenführen könnten. Ich erklärte noch einmal, dass wir diesen verklebten Gang zwischen Nase und Ohr wieder öffnen müssten. Wie ich ihr denn jetzt helfen könnte?
Vor dem Hörtest hatte ich die Nase schon eingesprüht, so dass ich nun den „Kuckuck“ aktivieren konnte. Nach kurzer Erläuterung pustete ich etwas Druckluft in die Nase, während sie „Kuckuck“ sagte und damit den Rachen verschloss. Es zeigte Wirkung.
„Jetzt höre ich links aber auch schlechter und rechts irgendwie anders.“
Ich erklärte ihr auch diesen Umstand und dass ich nicht nur ein Ohr mit diesem Politzer-Manöver erreichen würde.
„Und was hat das mit meinem Problem zu tun?“
Ich versuchte Zuversicht zu verbreiten, denn immerhin hatten wir diesen Gang oder besser „Eustachische Röhre“ doch gerade wieder öffnen können.
„Jetzt wird es Ihnen leichter fallen, diesen Zustand mit dem Druckausgleich zu stabilisieren. Dann kann der Schleim endlich in den nächsten Tagen ablaufen.“
Viele Optionen, alle unerwünscht
Natürlich erwartete ich keine Dankesgesänge! Das dann aber auch nicht:
„Ich will aber, dass Sie mir sofort helfen!“, forderte sie und berichtete erneut und zur Sicherheit, damit ich es auch wirklich verstehe, welche Tortur sie in unterschiedlichen Situationen der letzten Wochen hatte ertragen müssen. Zwischendurch vorwurfsvolle Blicke.
Mittlerweile dachte ich schon, ich sei an ihren Beschwerden schuld.
„Den Schleim kann ich auch aus dem Ohr saugen, dafür muss ich einen Schnitt ins Trommelfell machen“ – weiter kam ich nicht.
„Sie wollen mich gleich operieren? Auf keinen Fall!“
Jetzt musste ich diesen Patientenkontakt rasch beenden. Ich ergriff die Gesprächsführung und zählte noch einmal die Optionen in Kurzform auf, jetzt auch mit Paukendrainage und Tubendilatation in Narkose. Aber ich würde favorisieren, die natürlichen Funktionen wiederherzustellen: Nasenspray und Valsalva.
„Schon wieder Nasenspray? Davon wird man doch abhängig!“