Bei vieler meiner Patienten kribbelt es und zwar in den Händen. Die schlafen öfter mal ein und fühlen sich taub an. Rechercheausflüge ins Internet der Betroffenen ergeben dann oft drastische Diagnosen. Meistens handelt es sich aber um ein klassisches Karpaltunnelsyndrom.
„Oh Mann, mir schlafen immer mal wieder die Hände ein!“ Dieses oder ähnliches bekomme ich häufig erzählt von Leuten, die wissen, dass ich Neurologin bin. Auch in unserer Sprechstunde ist das sogenannte Kribbeln (Kribbelparästhesien; Ameisenlaufen) oder Taubheitsgefühl immer wieder Thema meiner Patienten. Leider hilft Dr. Google einem hierbei nicht weiter, sondern zählt im Gegenteil dann häufig schwerwiegende Diagnosen auf wie beispielsweise Multiple Sklerose, Schlaganfall oder Hirntumor.
Fünf Fragen zum Kribbeln
Wenige Fragen und eine kurze neurologische Untersuchung später sind die o. g. Diagnosen allerdings in den allermeisten Fällen ausgeschlossen. Zu den Fragen, die ich bei diesen Symptomen regelmäßig stelle, gehören:
Die Beantwortung dieser Fragen leitet einen meist zu der am häufigsten vorkommenden Diagnose bei Einschlafen der Hände: dem sogenannten Karpaltunnelsyndrom, welches von uns Neurologen auch liebevoll mit KTS abgekürzt wird.
Die typischen Antworten auf die oben gestellten Fragen lauten somit:
Vorsicht: Sollten andere Symptome wie z.B. eine halbseitige Gefühlsstörung, Taubheitsgefühl im Gesicht, Lähmungen am Arm, Ungeschicklichkeiten, Sprech- oder Sehstörungen auftreten, schickt man den Patienten am besten in die Neurologie oder in die Notaufnahme.
Was genau ist ein Karpaltunnelsyndrom?
Bei einem Karpaltunnelsyndrom kommt es zu einem sogenannten Engpass des Nervus medianus im Karpaltunnel. Der Karpaltunnel befindet sich im Bereich des Handgelenks und wird von den Handwurzelknochen unten, Muskeln und Sehnen an beiden Seiten und einem straffen Band (Ligamentum carpi transversum) oben begrenzt.
In diesem kleinen Tunnel laufen verschiedene Sehnen, Muskeln und auch der genannte Medianusnerv. Wenn es nun innerhalb des Tunnels zu eng wird, kommt es zu einer Schädigung dieses Nervs, welche sich durch Kribbeln und Taubheitsgefühl des entsprechenden Versorgungsgebiets bemerkbar macht.
Wie wird diagnostiziert?
Die Diagnose kann sowohl durch einen Hausarzt als auch einen Neurologen gestellt werden. Die oben genannten Fragen und Antworten beschreiben ein typisches Karpaltunnelsyndrom. Ergänzt wird die Anamnese durch eine neurologische Untersuchung, bei der das Berührungsempfinden, die Reflexe und die Kraft geprüft werden.
Ein typisches diagnostisches Testverfahren ist der sogenannte Phalen-Test, bei dem die Handgelenke durch den Arzt manuell Richtung Unterarm gebeugt werden, um die Enge im Bereich des Karpaltunnels zu simulieren. Hierbei wird man als Patient schnell das typische Kribbeln oder Taubheitsgefühl der Finger bemerken. Sollte Unsicherheit bestehen, kann weiterhin eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) oder ein Ultraschall des Karpaltunnels mit Messung des Nervenquerschnitts durchgeführt werden.
Wie wird behandelt?
Ein leichtes Karpaltunnelsyndrom, welches bisher keine Lähmungen oder Muskelschwund verursacht hat, kann mit einer volaren Unterarmschiene behandelt werden. Diese volare Unterarmschiene wird ausschließlich nachts getragen und soll verhindern, dass man als Patient das Handgelenk im Schlaf unbewusst beugt. Dieses Beugen in der Nacht gilt als Haupt- und Mitursache eines KTS. Häufig bildet sich durch das Tragen der Schiene die Symptomatik recht schnell wieder zurück.
Sollte diese Behandlung nicht ausreichend sein und die Symptomatik weiter bestehen, muss eine operative Therapie in Betracht gezogen werden. Hier wird das Band, welches den Karpaltunnel nach oben abschließt, gespalten, sodass der Medianusnerv wieder ausreichend Platz hat und sich erholen kann. Auch Ärzte sind nicht davor gefeit, ein Karpaltunnelsyndrom zu bekommen.
Oft kribbelt es in der Schwangerschaft
Hier kann ich von mir selbst berichten: Ich habe in all meinen drei Schwangerschaften unter einem nächtlichen Karpaltunnelsyndrom gelitten. Bei mir war, wie bei den meisten Patienten, die dominante Hand betroffen und ich bin häufig nachts aufgewacht und hatte taube Finger.
Ein Karpaltunnelsyndrom in der Schwangerschaft ist übrigens nicht selten, denn durch die Wassereinlagerungen kann der Karpaltunnel ebenfalls eingeengt werden. Die gute Nachricht: Nach der Schwangerschaft ist meistens alles wieder vorbei.
Mehr auf unserem Blog: Die Medici.