Was passiert, wenn man seine Nase ganz tief in Angelgenheiten der Großhändler steckt, von denen wir Apotheken NICHTS mitbekommen sollen? Man merkt: Dort stinkt es faul bis zum Himmel! Ob Medikamente lieferbar sind oder nicht: nur eine Frage des detektivischen Spürsinns.
Es fing eigentlich ganz harmlos an. Eine Kundin brachte uns ein Rezept über ein Medikament, das zur Zeit nicht lieferbar ist und sich daher in unserem „Nachlieferungsordner“ befindet (in trauter Gemeinschaft mit gut 50 anderen Medikamenten). Ich sagte der Dame Bescheid, dass diese Packung im Moment nicht zu bekommen ist und fragte, ob ich ihren Arzt anrufen soll, damit wir etwas anderes ähnliches bestellen können.
Unsere Kundin schüttelte den Kopf und sagte, dass sie nichts anderes haben möchte, weil sie dieses Medikament immer gut vertragen hat. Sie hätte aber noch einen vollen Blister zu Hause, der würde bis Ende nächster Woche reichen. Hätten wir bis Anfang der Woche keine Ware, würde sie das Rezept abholen und das Produkt im Internet bestellen.
In „Kürze“ wieder lieferfähig
Da stand ich nun. Zunächst war ich ein wenig angesäuert, denn wenn etwas vom Hersteller aus nicht zu bekommen ist, dann kann es auch unser holländischer Freund nicht herzaubern. Der bestellt das nämlich genau wie unser Großhändler auch nur dort und presst die Tabletten nicht selbst. Andererseits konnte ich auch den Wunsch unserer Kundin verstehen, bei ihrem gewohnten Wirkstoff bleiben zu wollen, den sie gut und nebenwirkungsfrei verträgt. Wie ich später an unserer Pinnwand sah, hatten wir wegen dem gleichen Arzneimittel vergangene Woche schon einmal mit dem Hersteller telefoniert. Der hatte uns fest zugesagt, dass sich die neue Charge bereits in der Auslieferung befindet. Die Großhändler sollten in Kürze wieder lieferfähig sein.
Gut. Das Wort „Kürze“ ist ja belastbar, aber mehr als 10 Tage hätte ich bei dieser Formulierung nicht vermutet. Also rief ich erneut dort an. Der nette Herr X. von der Kundenbetreuung versicherte mir, dass die Medikamente das Haus definitiv bereits verlassen hätten. Ich notierte mir seinen Namen und die Durchwahl und rief bei unserem ersten Großhandel an. Dieser versicherte mir hoch und heilig, dass keine Ware angekommen sei. Keine einzige Packung – nichts, nada, rien. Also erneut der Anruf beim freundlichen Herrn X. von der Kundenbetreuung.
Herr X.: „Frau Ptachen… Ich verstehe durchaus ihr Dilemma. Wir sind lieferfähig und Sie haben einen Kunden der unser Produkt benötigt, aber sie bekommen keine Packung über den Großhandel. Nur wissen Sie, es ist grundsätzlich nicht vorgesehen, dass wir einzelne Apotheken beliefern, wenn der Großhändler Ware HAT!“
Lügennetz im Hintergrund
PTAchen: „Irgendjemand lügt mich hier an. Nur weiß ich nicht WER und WARUM. Im Grunde ist es mir auch ziemlich egal – was mir aber NICHT egal ist, sind unsere Kunden, die ihre Medikamente brauchen. Würde es ihnen möglich sein uns etwas zu liefern, wenn ich Ihnen ein Papier vom Großhandel vorlegen kann, dass er keine Ware hat?"
Herr X.: „Ich denke in diesem Fall sollte es möglich sein, Sie direkt zu beliefern. WIR wollen ja auch, dass die Anwender versorgt sind!“
PTAchen: „Alles klar. Dann besorge ich Ihnen das Schreiben und melde mich dann.“
Klarer Fall von „denkste Puppe“, denn mein Anruf bei beiden Großhändlern brachte mich leider nicht weiter. Eine Erklärung darüber, dass die Niederlassungen nicht beliefert wurden, wollte mir nämlich keiner ausstellen.
Großhändler: „Nein, das kann ich nicht machen.“
PTAchen: „Darf ich fragen wo das Problem liegt?“
Großhändler: „Ähm… da gibt es keinen Vordruck.“
PTAchen: „Na, dann ist es doch ganz einfach. Wir machen das ganz formlos: Sie schreiben mir auf einen Blankozettel nur drauf, dass Sie nicht beliefert wurden, drücken einen Stempel darunter, unterschreiben das und gut ist.“
PTAchen: „Wieso denn, ich verstehe das nicht!“
Großhändler: „Weiiiil… der Einkauf hat das untersagt.“
PTAchen: „Ach. Und warum?“
Großhändler: „Das weiß ich nicht.“
Lauter Zwischenruf meiner lieben Kollegin Bergen aus dem Off: „Weil die schon alles an DoMo verkauft haben, deshalb!“
Klassischer Fall von Salamitaktik
Ich bitte daraufhin um Rückruf durch den Einkauf oder die Kundenbetreuung. Auf den warte ich übrigens immer noch! Bei unserem zweiten Großhandel gibt man jetzt immerhin zu, dass man DOCH beliefert wurde und deshalb keine Bescheinigung ausstellen könne. Es seien aber weniger als 20 Packungen gewesen, die natürlich bereits an Apotheken ausgeliefert wurden, die schon länger warten als wir. Die Firma würde ihre Ware leider nur streng kontingentiert verschicken.
Also folgte mein dritter Anruf bei Herrn X. von der Kundenbetreuung. Der lachte erst einmal herzlich, als ich ihm von der angeblichen Kontingentierung erzählte, ärgerte sich aber im Nachhinein richtig darüber, immer wieder den Schwarzen Peter untergeschoben zu bekommen.
Herr X.: „So, Frau Ptachen, ich mache jetzt etwas, was ich eigentlich gar nicht darf. Was sagten Sie wie viele Packungen Großhandel 1 bekommen hat?“
PTAchen: „Angeblich keine 20.“
Herr X.: „Welche Niederlassung?“
PTAchen: „Niederlassung Y.“
Herr X.: „Moment… Niederlassung Y. hat von uns vor 10 Tagen 375 Packungen erhalten.“
PTAchen: „Und Großhandel 2, Niederlassung Z.? Die haben angeblich überhaupt nichts bekommen.“
Herr X.: „Haben wir gleich. 600 Stück vor 8 Tagen. Noch Fragen wer Sie hier verkohlt?“
Das Unmögliche ist nun doch möglich
PTAchen: „Nein. Ich glaube es Ihnen ja. Was machen wir jetzt?“
Herr X.: „Wieviele Packungen brauchen Sie denn akut?“
PTAchen: „Ich wäre mit 2 Stück erst einmal zufrieden.“
Herr X.: „Dann schicken Sie mir ein Fax zu meinen Händen, und die Betriebserlaubnis der Apotheke in Kopie. Ich schicke Ihnen dann 2 Packungen zu. Kann ja nicht wahr sein, das alles!“
Und so kam es, dass unsere Kunden DOCH beliefert werden konnten. Von den Querelen im Hintergrund hat niemand von ihnen etwas mitbekommen. Der Chef und Bergen sagten im Nachhinein, mir beim Telefonieren zuzusehen und zuzuhören sei besser als Fernsehen. Meine Kollegin hätte sich beinahe noch eine Schüssel Popcorn geholt :-) Aber traurig ist es doch, oder?