Irgendwie hatte ich schon lange das Gefühl, dass an bestimmten Nachmittagen mehr Patienten ganz dringend noch angesehen werden wollen als an anderen. Viele von ihnen kannte meine Kartei noch nicht.
Und dann gab es endlich die Auflösung: Ein bislang unbekannter Patient wollte zwischendurch mal eben ein Rezept für ein Antibiotikum haben. Meine Helferin konnte ihm ein solches Rezept natürlich nicht zusagen und hielt mit mir Rücksprache. Der Herr forderte, dass ich mir zwischen zwei Terminen kurz Zeit nehmen könne, um das Rezept auszustellen.
Gut, es handelte sich jetzt nicht um ein Medikament, das in dunklen Ecken des Bahnhofs gegen Bares und ohne Quittung gehandelt wird. Aber das Verschreiben eines Medikamentes wie Cephalosporin liegt in der Verantwortung des verschreibenden Arztes, mit allen Konsequenzen, und sollte deshalb keinesfalls leichtfertig geschehen.
Warum muss man auf ein Rezept warten?
Der ungeduldige Patient hatte sich bei meiner Mitarbeiterin beschwert, dass er doch nur das Rezept wolle und jetzt nicht warten könne, bis er drankäme. Es sei doch nicht so schwer, einfach diesen Zettel auszufüllen. Er müsse heute die nächste Tablette einnehmen. Die leere Packung hatte er mitgebracht.
Ich wusste, dieser Patient würde sich wohl nicht so einfach von der Helferin abweisen lassen. Dem Leser dieser Zeilen wird jetzt auch die gleiche Frage einfallen wie mir: Er hat doch schon das Antibiotikum in der Hand. Es ist ihm also schon mal verschrieben worden. Offensichtlich war er bereits bei einem Arzt. Warum geht er nicht dorthin?
Und dann folgte die Auflösung
Die Antwort wollte ich persönlich ergründen. Ich ließ den Mann zu mir kommen. Fast beleidigt über diese umständliche Abwicklung einer Kleinigkeit schlurfte der Patient in den Behandlungsraum. Ist ein Dankeschön oder zumindest ein Gruß nicht mehr modern?
Er erklärte mir, dass er das erste Rezept bei einem HNO-Arzt im Nachbarort bekommen hatte, die Beschwerden seien nach einer Woche nur wenig besser, deshalb sei er nun zu mir gekommen mit diesem doch leicht zu erfüllenden Wunsch. Ich fragte ihn, warum er denn nicht noch mal zu seinem HNO-Arzt ginge, der würde den Verlauf immerhin kennen.
Auf die Antwort war ich nicht gefasst: „Aber das geht doch nicht. Der hat doch heute Nachmittag Privatsprechstunde!“