Ich hasse diese Diskussionen. Der Rettungswagen hat einen jungen Mann hergebracht, der jetzt vor mir steht bzw. schwankt. Es ist fünf Uhr morgens, er hat ein Monokelhämatom, es sickert Blut aus der Nase. Er ist betrunken und wenig kooperativ. Und ich bin genervt.
Der junge Mann wankt und schwankt und lallt. Leider nicht so betrunken, dass er nur noch liegen kann. Ein ebenso betrunkener Freund begleitet ihn. Die Polizei hat sie am Straßenrand aufgelesen und den Rettungswagen alarmiert.
Es gibt zwei Möglichkeiten
Es gibt keine Fremdanamnese und natürlich kann sich keiner der beiden erinnern, was passiert ist. Der Mann gehört ins CT. Er ist neurologisch nicht beurteilbar, zumindest das Jochbein und die Nase sind gebrochen. Vielleicht noch mehr. Ruhig liegen bleiben ist nicht. Ich erkläre ihm die Situation. Hilft schon mal gar nicht. Sein Freund sitzt mit einem Lachanfall auf dem Boden, er findet alles verdammt komisch. Und ich hasse die Situation noch mehr. Der Freund fliegt aus dem Zimmer in den Wartebereich und ich versuche, es dem jungen Mann noch einmal zu erklären. Für ihn gibt es zwei Möglichkeiten:
Eins, zwei oder Polizei
Nummer 1 kommt für ihn nicht in Frage. Völlig unnötig. Ihm gehe es blendend. Das Blut aus der Nase ist nicht so schlimm. Nummer 2 geht natürlich überhaupt nicht. Er unterschreibt den Wisch selbst, meint er. Mit über zwei Promille wird mich der Richter auslachen. Die dritte Möglichkeit, sich bei uns in ein Bett zu legen, schlage ich erst gar nicht vor. Hier bleibt er nicht.
Als er ärgerlich wird und unruhig, gehe ich selbstverständlich aus dem Weg. Er verlässt die Notaufnahme taumelnd. Fünf Minuten später gebe ich der Polizei Bescheid. Als die ihn findet, liegt er an der Bushaltestelle. Er lässt sich widerstandslos auf die Trage und ins CT schieben. Er hat eine kleine subdurale Blutung und eine Mittelgesichtsfraktur. Auf Intensivstation schläft er seinen Rausch aus. Am nächsten Tag entlässt er sich gegen ärztlichen Rat.
Ein typischer Fall, bei dem ich jedes Mal wieder neu überlegen muss. Sichtlich alkoholisierte, verletzte Patienten, die die ärztliche Behandlung verweigern. Wie geht ihr damit um?