Mit nahezu jeder Erkrankung kann der durchschnittliche Patient meiner Kleinstadt-Praxis etwas anfangen. Aber das letzte gallische Dorf im Römischen Reich der Medizin scheint eine Erscheinung zu sein, die Menschen zur Verzweiflung bringt: „Herr Doktor, ich habe Schleim!“
Kennen Sie das aus den Krankenhäusern oder großen medizinischen Praxen: Spezialsprechstunden für besondere Erkrankungen des eigenen Fachgebiets? Eine Herausforderung, weil es sich immer um das gleiche Thema dreht. Deshalb wird das von mir auch nicht in der Praxis angeboten.
Gelegentlich habe ich jedoch das trotzdem Gefühl, dass ich genau in einer solchen Sprechstunde sitze, und zwar meistens dann, wenn es um das Thema Schleim geht. Eigentlich ein dankbares Krankheitsbild, denn meistens kann ich gut helfen. Überraschen tut mich immer wieder die komplette Ahnungslosigkeit der Patienten, aber auch der überweisenden Kollegen.
„Herr Doktor, ich habe Schleim! Das hatt ich doch noch nie!“
Wenn man in eines der fünf Löcher meines Zuständigkeitsbereichs schaut, sieht man sie: die Schleimhaut. Und sie bildet: Richtig, Schleim. Aber warum? Der einfachste und wichtigste Grund: die Selbstreinigung.
Die Atemwege und Schluckwege
In der Nase sorgt der Schleim unter anderem dafür, dass Staub und kleine Fremdkörper an ihm haften bleiben und mit den kleinen Flimmerhärchen abtransportiert werden. Ebenso weiter südlich im Körper, in den unteren Atemwegen. Ziel des Transports ist der Eingang zur Speiseröhre, damit dann alles verschluckt und Krankheitserreger von der Magensäure abgetötet werden können.
Neben der Selbstrenigung und dem Eigenschutz dient der Schleim auch dem Abtransport der Nahrung – als Gleitmittel. Der Speichel hilft und beginnt schon mit der ersten enzymatischen Zersetzung der Nahrungsmittel.
Zu wenig Schleim?
Geht es vor allem um die Menge an Schleim? Natürlich nicht nur, sondern auch um die Konsistenz. Zu wenig Schleim führt ebenso zur Austrocknung der Schleimhaut wie ein zu trockener und zäher Schleim. Die Auswirkung von zu wenig oder zu zähem Schleim sind vielfältig. Die Trockenheit der Nase führt zu Borkenblidung, Infektionen und Nasenbluten. Im Mund spürt man Zungenbrennen, Geschmacks- und Schluckstörung. Im Bereich des Rachens und Schlunds bis zum Kehlkopf kann neben Schluckstörungen auch ein Fremdkörpergefühl, Räusperzwang, Heiserkeit und Hustenreiz auftreten.
Was sind die Ursachen?
Die Gründe für Schleim-Beschwerden sind vielfältig. Wer kennt ihn nicht, den trockenen Hals vor einer Rede – schnell ein Schluck Wasser. Dies ist physiologisch und vorübergehend. Mundtrockenheit kann aber auch ein Symptom für einige der folgenden Erkrankungen sein:
Aber es muss nicht immer gleich dramatisch sein. Häufig sind es regionale Entzündungen im Zahn- und Zahnhalteapparat oder in der Mundschleimhaut. Es geht auch noch einfacher: Schauen Sie auf das Geburtsdatum und die Medikamentenliste, ggf. Vorerkrankungen. Eine erfolgte Chemotherapie hat besonders in den ersten Jahren, aber meist dauerhaft, Einfluss auf die Schleimhäute, eine regionale Strahlentherapie hat oft noch stärkere Aszswirkungen. Schauen Sie sich die Haut eines Senioren im Vergleich zu einem Jugendlichen an, dann können Sie sich leicht vorstellen, dass auch die Schleimhäute sich verändern und oft trockener werden.
Nebenwirkungen der Medikamente?
Trockene Schleimhäute können auch eine Folge von eingenommenen Medikamenten sein. Denn die Zahl der Senioren, die Blutdruckmitteln und dazu auch Antidepressiva einnehmen, ist hoch. Genannt werden sollten an dieser Stelle auch Psychopharmaka, Augentropfen, Schmerzmittel, Schlafmittel, Antibiotika. Natürlich nicht alle Medikamente dieser Gruppen und nicht bei jedem Menschen. Aber es lohnt sich ein Blick in den Beipackzettel.
Und was hilft jetzt?
Sie kennen den Spruch: Häufiges ist häufig und Seltenes ist selten. Auf der Suche nach der Ursache der Beschwerden sollte der Weg nicht immer gleich über den Rheumatologen führen. Vielen Menschen kann man mit einer Umstellung der Medikamente durch den verordnenden Kollegen helfen. Aufklärung der Patienten beruhigt. Bei den meisten Fällen in meiner Praxis ist es ganz einfach und ich frage, was die Patienten denn gegen trockene Hände machen würde.
„Dann creme ich mir die Hände ein.“
„Warum machen Sie das nicht auch für die Schleimhäute?“
„Also soll ich Meersalzsprays nehmen?“
„Cremen Sie die Hände ein oder sprühen Sie etwas Wasser drauf?“
„Verstehe. Was kann ich denn außerdem tun für die Nase und den Rachen?“
„Versuchen Sie Pflegesprays und Lutschtabletten mit Pflegestoffen wie z.B. Dexpanthenolund Hyaluronsäure.“
Natürlich können einfache Mittel nicht allen helfen. Aber viele der Pflegemittel können bei regelmäßiger Anwendung erreichen, dass der Schleim wieder als Gleitmittel und nicht wie Klebstoff funktioniert.