Die MRT/TRUS-Fusionsbiopsie der Prostata zählt zu den modernsten diagnostischen Verfahren in der Urologie zur Abklärung eines Karzinomverdachts. Aber wann sollte sie zum Einsatz kommen?
Herr R. ist 63 Jahre alt und wird von seinem behandelnden Urologen zur Prostatastanzbiopsie ambulant zugewiesen. Hierzu hat er im Vorfeld ein multiparametrisches MRT (mpMRT) der Prostata erhalten, in dem der Radiologe suspekte Herde markiert hat, welche nun mittels Fusionsbiopsie gezielt biopsiert werden sollen.
Soweit, so gut.
Aber: Der PSA-Wert des Patienten liegt bei 96,4 ng/ml. Bei digitorektalen Palpation fällt eine insgesamt knotig indurierte, nicht verschiebliche Prostata auf, und die einzige ROI (Region Of Interest), also der Bereich der karzinomsuspekt ist, nimmt auf den MRT-Bildern fast die komplette Prostata ein.
Das Ergebnis der Stanzbiopsie: Adenokarzinom der Prostata (Gleason 9) in 12 von 12 Stanzzylindern mit einem Tumoranteil von im Mittel 90 %. Die weitere Ausbreitungsdiagnostik zeigt pelvine Lymphknoten-, eine Leber- und mehrere Knochenmetastasen.
Ein tragischer Fall, aber längst keine Einzelheit
Die geschilderte Kasuistik ist inzwischen keine Einzelheit.
Ein Vorwurf, der in den letzten Jahren der Urologie gemacht wurde, ist, dass die weite Verbreitung des opportunistischen PSA-Screenings dazu geführt hat, dass zunehmend insignifikante (kleine Gleason 6 und 7a) Prostatakarzinome diagnostiziert wurden, die eine Übertherapie ausgelöst hätten. Dabei wird postuliert, dass ein Teil dieser Patienten auch ohne jegliche Tumortherapie ein gleich gutes Gesamt- und sogar karzinomspezifisches Überleben hätten, ohne die möglichen negativen Folgen zum Beispiel einer radikalen Prostatektomie (Harninkontinenz, erektile Dysfunktion) in Kauf nehmen zu müssen. Gestützt wird dies unter anderem durch die Langzeitergebnisse von Patienten unter sogenannter Active Surveillance, und die Kritik ist teilweise sicherlich berechtigt, auch wenn es gute Argumente für eine definitive Therapie gibt.
Unglücklicherweise ist die amerikanische Studie zum PSA-Screening, die die Diskussion ausgelöst hat, methodisch so schlecht, dass die daraus gezogenen Schlussfolgerungen mehr als fragwürdig sind. Die entsprechende europäische Studie, welche ungleich aussagekräftiger ist, kam daher auch zu einem völlig anderen Ergebnis. Der in der Öffentlichkeit entstandene Eindruck ist aber teilweise, dass ein Prostatakarzinom harmlos ist, was definitiv so nicht stimmt.
Doch kein Meilenstein für die Forschung
Leider wurde die PREFERE-Studie, die zum Ziel hatte, die möglichen Therapieoptionen eines Low-Risk-Prostatakarzinoms randomisiert zu vergleichen (radikale Prostatektomie vs. EBRT vs. LDR-Brachytherapie vs. Active Surveillance), aufgrund ungenügender Rekrutierungsquoten und methodischer Schwierigkeiten abgebrochen. Aus dem beabsichtigten Meilenstein urologisch klinischer Forschung wurde daher ein Desaster.
Ein Problem der Prostatabiopsie ist, dass sowohl ein Understaging als auch ein Undergrading vorkommen können.
MRT/TRUS-Fusionsbiopsie
Eine Möglichkeit, vorwiegend aggressivere Tumoren (Gleason ≥ 7b) zu detektieren, ist die MRT/TRUS-Fusionsbiopsie: Dabei werden anhand diffusionsgewichteter und spektroskopischer Untersuchungssequenzen suspekte Herde (sogenannte PI-RADS Befunde) festgelegt, welche sich in fünf Scores einteilen lassen.
Die klinische Erfahrung zeigt, dass alle erdenklichen Kombinationen möglich sind: Karzinomnachweis im Bereich der suspekten Herde ohne Tumornachweis im übrigen Gewebe, beides positiv oder fehlender Karzinomnachweis in den gezielten Stanzen, dafür aber in der Standardbiopsie, aber auch kein Karzinomnachweis in allen Stanzzylindern. Unsere eigenen Ergebnisse werden derzeit im Rahmen einer Promotionsarbeit analysiert.
Modernste Diagnostik für wen?
Es stellt sich jedoch die Frage, in welchen Fällen diese aufwändigere und kostenintensivere Diagnostik zum Einsatz kommen sollte.
Das erste Problem ist die Kostenübernahme. Während die privaten Krankenkassen die Kosten für ein mpMRT tragen, gehört die Untersuchung derzeit noch nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherer (GKV) und stellt somit eine Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) dar. Bei entsprechender Indikation kann man aber versuchen, im Einzelfall einen Kostenübernahmeantrag zu stellen, durchaus mit Erfolg.
Wann ist ein mpMRT indiziert?
Doch wann ist ein mpMRT indiziert? Bei Patienten mit erhöhtem PSA- und/oder steigendem PSA-Wert, welche bereits eine negative transrektale Stanzbiopsie hatten, kann als gesichert gelten, dass das mpMRT der Prostata die Methode der Wahl bei der Diagnostik des Prostatakarzinoms ist. Eine flächendeckende Anwendung – auch im Rahmen der Früherkennung oder der Überwachung unter Active Surveillance, wie sie von einigen Anbietern beworben wird – erscheint jedoch auch unter den Gesichtspunkt der Kostenentwicklung nicht sinnvoll, auch wenn dies möglicherweise Vorteile haben könnte. Im geschilderten Fall hätte beispielsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch eine fingergeführte Entnahme von zwei Stanzbiopsien aus beiden Seiten der Prostata die Diagnose gestellt.
Das zweite Problem ist, dass auch eine PI-RADS-5-Läsion kein so eindeutiger Befund ist, wie es manche Radiologen gerne darstellen. Wie bereits geschildert, könne auch solche Herde benigne sein oder das Karzinom doch an einer anderen Stelle sitzen. Im Endeffekt kann die Diagnose nur histologisch gesichert werden. Insbesondere im Rahmen der Active Surveillance ersetzt das mpMRT nicht die geforderte Kontrollbiopsie. Allerdings kann erwogen werden, ob man bei Patienten mit vorangegangener Prostatastanzbiopsie, die einen negativen Befund hatte, bei denen aber dennoch ein fortbestehender Verdacht besteht, auf eine Re-Biopsie verzichtet, wenn das mpMRT unauffällig ist. Es erscheint mir jedoch unabdingbar, dass man in solchen Fällen über das unbestimmte Restrisiko aufklären sollte, einen Tumor zu übersehen. Inwieweit dies prognostische Auswirkungen haben kann, ist derzeit ungeklärt.
Teamwork gefragt
Letztlich sind der Urologe und der Radiologe, gegebenenfalls im Dialog gefragt, die Indikation mit dem nötigen Augenmaß zu stellen, um einerseits eine für den Patienten optimale Diagnostik zu finden, andererseits aber unnötige Therapien und Kosten zu vermeiden, zumal über das Internet informierte Patienten immer wieder nach der modernsten Technik fragen und diese einfordern. Dann lassen sich auch überflüssige Untersuchungen wie in der dargestellten Kasuistik vermeiden.