Die Stiftung Warentest verteilt miese Noten an Versandapotheken: Sieben der 18 getesteten Unternehmen erhalten die Bewertung „mangelhaft“. Schuld daran sei schlechte fachliche Beratung. Aber heißt das automatisch, dass Präsenzapotheken bessere Arbeit leisten?
In Deutschland gibt es 20.023 öffentliche Apotheken (Stand Ende 2016). 2.959 von ihnen haben eine Versandhandelserlaubnis gemäß Paragraph 11a Apothekengesetz. Und zirka 150 handeln ABDA-Zahlen zufolge ernsthaft über das Internet mit Pharmaka. Das heißt, sie haben einen Webshop und werden in Preissuchmaschinen gelistet. Hinzu kommen einige Konkurrenten aus anderen EU-Staaten. Insofern überrascht es, dass die Stiftung Warentest „18 umsatzstarke Versandapotheken“, wie es im Artikel heißt, für ihren Test ausgewählt hat. Bei mehr als 200 Anbietern im Markt wirkt die Aussage dazu äußerst fragwürdig.
Verkaufen statt beraten
Ein Blick auf die Methodik: Insgesamt stellten die Tester sieben Aufgaben. Es sollten unter anderem verschiedene Wechselwirkungen erkannt werden. Konkret ging es um Candesartan beziehungsweise Spironolacton und ein kaliumhaltiges Nahrungsergänzungsmittel. Es droht die Gefahr einer Hyperkaliämie. Alternativ sollte vor Marcumar plus Ginkgo-OTCs gewarnt werden. Ginkgoblattextrakte können die Antikoagulation verstärken.
Darüber hinaus wurden Rückfragen zu Medikamenten mit ähnlichem Wirkmechanismus erwartet, von denen jeweils zwei auf dem gleichen Rezept standen. Auf den Musterrezepten standen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID) beziehungsweise Protonenpumpenhemmer (PPI). In einem anderen Fall ging es darum, sich über Diclofenac beraten zu lassen. Und nicht zuletzt wünschten sich die vermeintlichen Patienten, dass ihr Medikationsplan aktualisiert wird.
Mehr als ein Drittel mangelhaft
Insgesamt bohrten Apotheker oder PTA am Telefon zu wenig nach. Dadurch übersahen sie mögliche Vorerkrankungen, die geschulte Anrufer auf Nachfrage genannt hätten. Interaktionen wurden auch nicht in allen Fällen erkannt, was in der Praxis gefährlich werden könnte. „Mehr Verkaufsargumente als Rat“, so lautet die Zusammenfassung im Artikel. Nur etwa die Hälfte aller Experten wies darauf hin, bei neu auftretenden Beschwerden zum Arzt zu gehen. Dafür empfahlen sie OTCs häufig ohne Vorbehalt.
Dementsprechend mies fiel die Benotung aus: in sieben Fällen fiel das Urteil „mangelhaft“ (4,7 bis 5,3) aus. Keine Versandapotheke bekam „sehr gute“ oder „gute“ Zensuren. Neun Versender können sich immerhin über die Note „befriedigend“ (2,7 bis 3,4) freuen. Zwei weitere Marktteilnehmer ernteten „ausreichend“ (3,7). Die fachliche Qualität floss zu 60 Prozent in das Gesamturteil mit ein, gefolgt vom Service (25 Prozent) und von der Website (15 Prozent).
Zu früh gefreut
So mancher Apotheker mag sich jetzt denken: „Ja genau, das sagen wir doch immer – wir beraten besser.“ Mit solchen Aussagen bewegen sich Kollegen auf dünnem Eis:
Logik oder Lobbyismus
Jetzt ist guter Rat teuer. Das Problem gestaltet sich vielschichtig – und so manches Regelwerk ruft nur Kopfschütteln hervor:
Viel Logik lässt sich hinter diesen Unterschieden nicht erkennen. Politiker argumentieren gerade im Gesundheitsberiech gern mit der Patientensicherheit. Damit sollte gleiches Recht für alle gelten. Ansonsten bleibt der Vorwurf im Raum, sich mächtigen Lobbyisten gebeugt zu haben.
Schubladen aufziehen können viele
Nicht zu vergessen: Unser Sozialsystem zahlt Apotheker für eine Leistung – gemeint ist nicht das Aufziehen von Schubladen. Einzelne schwarze Schafe verderben den Ruf einer ganzen Branche. Deshalb müssten eigentlich flächendeckende Kontrollen eingeführt werden und zwar in regelmäßigen Abständen.
Unregelmäßige, meist noch vorher angekündigte Besuche von Pharmazieräten oder Amtsapothekern helfen da wenig. Auch die hochgelobten Pseudocustomer haben an der Lage wenig geändert. Wer möglichst viel pro Zeiteinheit abverkauft, hat am Monatsende die besseren Zahlen. Das ist zu kurz gedacht.
Ohne ihr Alleinstellungsmerkmal, sprich die zielgerichtete Information, machen sich Pharmazeuten ersetzbar. Jeder Arzt kann genauso gut in seiner Praxis Patienten ihre Präparate kommentarlos in die Hand drücken.