Vom kleinen Flüchtigkeitsfehler bis zum existentiellen Scheitern gehört die gesamte Bandbreite des Versagens in den Alltag von uns Menschen. Menschen aus dem ADHS-Spektrum machen besonders intensive Erfahrungen im Umgang mit Fehlern.
Bestimmte Berufsgruppen dürfen keine Fehler machen. Machen sie aber natürlich trotzdem. Fehler können aber auch durchaus positiv sein. Man kann sich auf die Fähigkeit im Umgang mit Fehlern spezialisieren.
Einer meiner Patienten ist ein wahres Genie darin, Fehler zu erspüren. In diesem Fall auf technischem Gebiet. Er arbeitet jetzt in einer Großmühle als Bäcker. Er hat schon immer die Fähigkeit gehabt, Fehler zu hören, riechen bzw. zu erfahren. Weit bevor sie eigentlich für andere sichtbar werden oder mit technischen Geräten messbar sind.
Er sagte selber, das hängt mit seiner ständigen Sorge zusammen, dass wieder ein Fettnäpfchen von ihm entdeckt würde. Das er wieder wegen irgendeiner Sache ausgeschimpft oder in der Schule bloßgestellt würde.
Angst vor der selbst verursachten Katastrophe
Das ist eine Erfahrung, die ich in der ein oder anderen Form bei vielen meiner Patienten gemacht habe. Sie leben in der ständigen inneren Anspannung, dass wieder eine neue Katastrophe über sie herein bricht. Was natürlich ein erhöhtes inneres Anspannungsniveau (Hypervigilanz) bedeutet. Ganz ähnlich also, wie wir es in der Psychotraumatologie bei Trauma-Opfern kennen.
Man kann also gar nicht mehr zur Ruhe kommen, weil man eigentlich in einer ständigen „Gefahr“ lebt. Diese Gefahr des nächsten Alltagsfehlers ist aber unvermeidbar. Man kann sich noch so sehr anstrengen, das nächste Scheitern kommt bestimmt.
Die Fehler sind also nicht der Fehler
Der Fehler liegt eigentlich in der Art und Weise, wie wir selber damit umgehen. Wie wir uns selber verdammen. Und natürlich auch in der häufig einfach nur fiesen Reaktion der ach so normalen (neurotypischen) Mitmenschen. Denen es ein inneres Vergnügen ist, durch Abwertung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sich selbst aufzuwerten. Eine Charaktereigenschaft, die ich persönlich häufig wie körperlichen Schmerz bzw. Ekel wahrnehme.
Kann bzw. sollte ich also dann nichts mehr machen, damit ich solchen asozialen Wesen nicht wieder eine Angriffsfläche liefere? Sollte ich klein beigeben, damit ich nicht wieder einen Fehler mache?
In der Medizin und natürlich auch im Speziellen in der Psychotherapie wird der Umgang mit Fehlern häufig noch tabuisiert. Dabei wäre es wichtig, hier eine offene Kultur der Kommunikation über Fehler zu fördern. Ich bin gerade in der Klinik mit ziemlich unberechtigter Kritik von Patienten beschäftigt. Sie sind auf einem Rachefeldzug, weil die sozialmedizinische Beurteilung nicht so ausgefallen ist, wie sie es wollen. Auch bei unberechtigter Kritik ist aber immer Wahrheit drin. Man kann daraus ja nur lernen. Ob man es besser oder anders machen will oder kann, steht auf einem anderen Blatt.
Wie reagiert man am besten?
Unberechtigte Kritik bzw. der Vorwurf, in allen Bereichen nur Fehler zu machen, hilft also nicht weiter. Konstruktive Verbesserungen sehr wohl.
Einmal mehr geht es dabei auch um Selbstfürsorge. Wenn Fehler entstanden sind, sollte man mit sich selber so umgehen, wie man es mit einer Freundin oder einem Freund tun würde. Also nicht in Grund und Boden versinken. Aber es eben auch nicht bagatellisieren. Fehler ernst nehmen. Schauen, was passiert ist. Und sich dann neu ausrichten.
Dieser Text ist auch auf meiner Patreon-Seite veröffentlich worden.