Benzodiazepine und Z-Substanzen sind Klassiker unter den missbrauchten Medikamenten. Die Drogenszene ist allerdings äußert kreativ, was die Neuentdeckung berauschender Substanzen und deren Mischungen angeht. Neu im Verdacht etwas, das ich nie erwartet hätte: Omeprazol.
Medikamente werden häufig und gerne missbraucht. Das hat verschiedene Ursachen. Angefangen dabei, dass es bei vielen Leuten Kopfsache ist: Es ist ja ein Medikament, also sicher nicht so ungesund wie die Droge von der Straße, denken viele. Das mag in dem Punkt stimmen, dass die Qualität des Medikaments kontrolliert wird und sich darin nicht so Zeugs wie zum Beispiel Wurmmittel zum Strecken findet (alles schon von Kunden gehört, die nebenbei noch Drogen konsumieren). Aber das bedeutet nicht, dass es anders wirken würde (im positiven wie im negativen Sinne) als Drogen vom Dealer auf der Straße.
Während wir in der Apotheke bei vielen Medikamenten wissen, dass sie missbraucht werden (Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine und Z-Substanzen stehen da ganz oben auf der Liste, gefolgt von starken Schmerzmitteln), steht andere Wirkstoffe noch nicht so im Fokus.
Sedierendes Antepileptikum
Wusstet ihr zum Beispiel, dass Pregabalinin der Szene ganz groß im Kommen ist? In den USA ist es demnächst so weit, dass das Arzneimittel unter die Gesetzgebung der Betäubungsmittel genommen wird.
Auch in unserer Apotheke wurden wir kürzlich wieder Zeugen eines offensichtlichen Falls von Medikamentenmissbrauch. Zuletzt war da diese Frau, mit der wir schon ein Wort hatten wegen ihres Stilnox-Konsums. Jetzt hat sie auf ihr Dauerrezept in den letzten zwei Monaten zwei Mal Packungen zu 168 Stück bezogen. Obwohl die letzte Dosierungsanweisung, die ich hatte, bei 2 Kapseln pro Tag liegt. Der bezogenen Menge nach nimmt sie aber eher 5-6 Kapseln täglich. Zeit für ein Gespräch jedenfalls und je nach Ausgang des Gespräches für einen Kontakt mit dem verschreibenden Arzt.
Sowas überrascht mich wenig, immerhin fällt das auch unter „Schmerzmittel“ sogar mit „angstlösender Wirkung“. Anderes dann schon mehr:
Loperamid zum Beispiel. Habt ihr schon davon gehört, dass man das missbrauchen kann? Das Mittel gegen Durchfall – besser bekannt als Imodium ist strukturell sehr nahe verwandt mit den Opioiden. Man nützt dabei eine von deren Nebenwirkungen aus: Opioide wirken im Darm stark hemmend und führen zu Verstopfung. Weil Loperamid aber im Gegensatz zu den Opioiden (Schmerzmitteln) die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann (und das, was es doch schafft, aktiv wieder nach draußen befördert wird), wirkt es nicht euphorisierend oder schmerzstillend und hat damit kein Abhängigkeitspotential. Ganz ehrlich: Wer nimmt ein dermaßen stopfendes Mittel (es legt die Darmtätigkeit praktisch flach) auch freiwillig – und kann dann tagelang nicht mehr auf die Toilette?
Wie dem auch sei, offenbar gibt es Leute, die das auf sich nehmen. Ich bin darauf gekommen, nachdem das ein Kunde mit ausgesprochen schlechten Zähnen (häufig ein Hinweis auf ein Leben mit Drogen) regelmäßig abends bei uns holte. Zu häufig, als dass er das gegen Durchfall nehmen würde, die Tagesdosis liegt ja bei 8 Kapseln. Weil ich neugierig bin, habe ich mich dann hingesetzt und etwas nachgeforscht. Und bin auf Erstaunliches gestoßen. Nicht nur wird Imodium gerne hochdosiert genommen, um Entzugssymptome zu mildern. In der richtigen Kombination mit einem Enzymhemmer schafft es den Sprung über die Blut-Hirn-Schranke und wirkt dann doch opioidartig. Interessierte lesen hier nach. Dies ist im übrigen nicht als Anleitung zum Missbrauch gedacht – umso mehr als eine Warnung.
Auch verdächtig: Opremazol
Neu im Verdacht habe ich etwas, das ich nie erwartet hätte: Omeprazol. Innerhalb einer Woche hatte ich die zweite Anfrage von eher zwielichtigen Gestalten. Beide Männer fragten nach den „Kapseln im Döschen für die Magenschleimhaut“ – und waren enttäuscht, dass ich nur Tabletten da hatte (Pantoprazol oder Omeprazol). Es müssen unbedingt die Kapseln sein? Und irgendwie habe ich das starke Gefühl, dass sie das nicht als Magenschutz brauchen, wie angegeben. Aber für was dann? In den einschlägigen Foren finde ich wenig. Aber ich glaube, dass es mit Folgendem zusammenhängt:
Es gibt ja Leute, für die es nicht unbedingt eine unerwünschte Wirkung ist, wenn das Benzodiazepin stärker/ länger wirkt, weil das Omeprazol dessen Abbau behindert und die Konzentration im Blut anhebt. So steht dann in einem englischen Drogenforum: Anscheinend hat man die Wirkung bei Valium (Diazepam), Temazepam und Haldol, eventuell aber auch bei weiteren und auch bei Methadon.
Das sind nun teilweise Vermutungen. Aber vielleicht ist es nicht schlecht, wenn man in der Apotheke ein Auge auf die richtige Anwendung auch so „unverdächtiger“ Substanzen hat. Hattet Ihr denn auch schon so Anfragen? Oder für andere Medikamente, bei denen man nicht denken würde, dass sie missbraucht werden?