Zu kaum einem anderen ernährungsmedizinischen Thema gibt es so viele Mythen wie über den Zusammenhang von Kochsalz und Bluthochdruck. Eine neue Studie könnte nun eine Erklärung liefern, warum der Bluthochdruck bei manchen Menschen durch Salz ansteigt und bei anderen nicht.
Die aktuell in Nature publizierten Studienergebnisse einer Forschergruppe vom Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin deuten auf folgenden Zusammenhang hin: Eine salzreiche Ernährung reduziert die Laktobazillen im Darm, wodurch der Blutdruck ansteigt. Umgekehrt – und das ist noch erstaunlicher – könnte die Aufnahme eben dieser Laktobazillen mit der Nahrung einen Blutdruckanstieg durch salzreiche Ernährung verhindern.
Die individuelle Zusammensetzung des Darmmikrobioms könnte damit darüber entscheiden, wie sich Kochsalz auf den Blutdruck auswirkt. Und weiter: Die regelmäßige Aufnahme von Laktobazillen mit der Nahrung könnte vor diesen unerwünschten Salzeffekten schützen. Laktobazillen werden auch für die Herstellung fermentierter Milchprodukte wie zum Beispiel Joghurt genutzt. Bereits seit einigen Jahren wird die Bedeutung der menschlichen Darmbakterien für die Entstehung von Bluthochdruck diskutiert.
Zudem liefern die aktuellen Studienergebnisse eine mögliche Erklärung dafür, weshalb der Blutdruck bei verschiedenen Menschen unterschiedlich empfindlich auf die Kochsalzzufuhr mit der Nahrung reagiert, Stichwort „Salzsensitivität“. Die Zusammensetzung des jeweiligen Darmmikrobioms könnte der Schlüssel dazu sein. Doch wie sah die aktuelle Studie aus Berlin dazu aus?
Salz reduziert Darmbakterien und lässt Blutdruck steigen
Zunächst beobachteten die Wissenschaftler, dass sich bei Mäusen, deren Futter eine um vier Prozent erhöhte Salzkonzentration aufwies, das Darmmikrobiom veränderte. Besonders markant war dabei der Rückgang des Milchsäurebakteriums Lactobacillus murinus (L. murinus). Aus Untersuchungen an Menschen weiß man, dass das Darmmikrobiom von Menschen mit westlichen Ernährungsgewohnheiten ärmer an L. murinus ist als jenes von Naturvölkern. Und auch in Zellkulturen zeigt sich: Diese Milchsäurebakterien vertragen keine salzreiche Umgebung. Im nächsten Schritt konnte dann gezeigt werden, dass bei Mäusen die Gabe von L. murinus in der Nahrung den Blutdruckanstieg durch salzreiche Kost verhindert.
Effekt erstmals an Menschen bestätigt
In einer kleinen Pilotstudie mit zwölf Probanden untersuchten die Wissenschaftler anschließend, ob diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragbar sind. Die Umstellung der Probanden auf eine sehr salzreiche Ernährung mit 14 Gramm Kochsalz pro Tag (durchschnittliche Zufuhr in Deutschland: 8–9 Gramm/Tag, empfohlen sind 5–6 Gramm/Tag) führte sowohl zu einem Blutdruckanstieg als auch zu einem Rückgang von L. murinus im Darm. Und jetzt kam der entscheidende Schritt: Jene Probanden, die zusätzlich zu der salzreichen Kost ein Probiotikum mit Milchsäurebakterien erhielten, zeigten plötzlich keinen Blutdruckanstieg mehr. Die Milchsäurebaktieren scheinen also auch bei Menschen zu verhindern, dass salzreiche Lebensmittel den Blutdruck erhöhen.
Es gibt sogar schon erste Hinweise darauf, wie die Milchsäurebakterien den Salz-induzierten Blutdruckanstieg verhindern: Offensichtlich verhindert L. murinus die Induktion einer bestimmten Art von T-Helferzellen, TH17, die nicht nur an verschiedenen immunologischen Reaktionen, sondern eben auch an der Blutdruckerhöhung beteiligt sind.
Joghurt gegen Bluthochdruck?
Die Ergebnisse dieser Studie wurden nicht umsonst in Nature publiziert – einer der renommiertesten Fachzeitschriften der Welt. Tatsächlich könnten sie sich als wegweisend für die zukünftige Forschung erweisen, mit möglicherweise gravierenden Konsequenzen für die praktischen Ernährungsempfehlungen. Bevor nun aber der Rat gegeben wird, die negativen Folgen einer salzreichen Ernährung könnten durch einen Joghurt zwischendurch kompensiert werden, müssen natürlich noch weitere, große Studien folgen. Ein paar Mäuse und zwölf Probanden sind hier nicht besonders viel. Doch die Ergebnisse sind derart schlüssig und werden durch weitere immunologische Parameter bestätigt, dass sich vermutlich ein ganz neuer Ansatz zur Prävention der Hypertonie auftun wird.