Wenn ich die Akten von Neuanmeldungen für unsere psychosomatische Klinik screene, so haben die allermeisten Patienten "Depressionen". Aber so unterschiedlich dick die Akten und damit die Vorbefunden, so individuell sind natürlich auch die Patienten und die damit verbundenen Probleme. Nicht zuletzt aber sollte daraus auch eine differenziertere Behandlungsplanung resultieren.
In einer Studie der Harvard Universität versuchte man, zu einer besseren Differenzierung der Depressionen aufgrund von neueren biologischen Erkenntnissen zu gelangen.
Depression – unendliche Möglichkeiten
Im Augenblick fällt ein reines Sammelsurium an Kategorisierungen auf. Es reicht von der „Neurasthenie“ (F48.0 laut ICD-Schlüssel) als Ausdruck einer angeblich „unzureichenden“ Belastungsfähigkeit über eine Anpassungsstörung bis zu Depressionen (F32.x) bzw. wiederkehrenden depressiven Störungen (F33.x) bzw. der Dysthymia (F34.x). Mal isoliert, seltener dann als „Double Depression“, wenn Dysthyme Störung und Depressive Episode zusammen auftreten sollen. Dann haben wir natürlich noch gar nicht die zusätzlich häufig diagnostizierten Belastungsstörungen oder gar Posttraumatische Belastungsstörungen erwähnt. Und oder Angststörungen. Naja, vollständig ist die Liste schon ganz und gar nicht, da es ja auch auch noch die Zyklothymen Störungen gibt. Oder die Bipolaren.
Ehrlich gesagt: Selbst ich blicke da selten durch. Und hilfreich ist diese Klassifikation ja auch nicht wirkich für die Therapie, sondern es ist eine reine statistische Kommunikationshilfe. Also für unsere Verwaltungsleute gedacht, die dann mit den Kostenträgern per Datenleitungen kommunizieren.
Diese also meist ziemlich beliebige Einteilung bzw. die Überlappung der verschiedenen Symptome hat ziemlich wenig mit der neurobiologischen Entstehung bzw. Darstellung im Gehirn zu tun.
Eine neue Studie von Leanne Williams und Team der Universitätsklinik für Psychiatrie in Stanford, versucht nun anhand funktioneller Bildgebung des Gehirns eine Differenzierung von Depressionen und Angst in 5 Kategorien zu definieren.
Die Autoren diffferenzieren dabei:
Die 5 Kategorien sind jeweils mehr oder weniger spezifische Symptome, die dann aber auch jeweils bestimmten Bereichen der Hirnaktivierung bzw. „Hemmung“ von neuronalen Netzwerken zugeordnet werden. Zielsetzung ist, dann eine besser differenzierte Behandlung anbieten zu können, da eben derzeit jeder Patient mit Depressionen quasi gleich behandelt wird. Oft mit sehr mäßigem Erfolg, wenn man ehrlich ist.
„Tension“ ganz oben auf der Liste
Für die Studie wurden bestimmte neuropsychologische Tests und eben eine Bildgebung bei 420 Teilnehmern (Gesunde und Patienten mit Angst und Depression) durchgeführt und dann über bestimmte Algorithmen versucht, gemeinsame Merkmale herauszufinden.
Danach kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass 19 Prozent in die Gruppe der hohen Anspannung („Tension“) fielen, 13 Prozent eine ängstliche Überregung aufwiesen, 9 Prozent der Gruppe der Melancholie zuzuordnen waren, weitere 9 Prozent in der Subgruppe „generalisierte Angst“ eingeteilt wurden und die restlichen 7 Prozent unter Anhedonie, also dem generellen Verlust von Lebensfreude, litten.
Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen sich aus solchen Untersuchungen wirklich ergeben. Interessant ist es allemal, wenn man sich etwas genauer Gedanken um die Differenzierung der Depressionen macht.