Zu kontrollieren, ob der Herd aus ist bevor man los geht, ist kein Problem. Sechs Stunden täglich seine Hände zu waschen, schon. In unserem Podcast geht es diesmal um normale Zwangsphänomene und Zwangserkrankungen, die therapiert werden sollten.
Im 54. PsychCast sprechen wir über Zwanghaftigkeit im Allgemeinen und Zwangserkrankungen im Speziellen.
Stichwort Ohrwurm
Um sich dem Thema Zwang anzunähern, stellt man sich am besten vor, wie sich ein Ohrwurm anfühlt. Man denkt häufiger an eine Melodie und man möchte das nicht, trotzdem quält man sich stundenlang. Man sagt ja oft, wenn man sich dem Ohrwurm aussetzt und das Lied einmal von Anfang bis Ende durchhört, geht es wieder. Eine mögliche Theorie dahinter ist, dass unser Gehirn Sachen, die nicht abgeschlossen sind, immer wieder neu durchdenkt. Ein nerviges Lied also in der Mitte abzubrechen, führt zum Ohrwurm. Das kennen die meisten. Es gibt auch andere Formen der Zwanghaftigkeit, die jeder kennt, zum Beispiel Rituale. Man klopft etwa auf Holz, wenn man erzählt, dass man das ganze Jahr noch nicht krank war. Was auch verbreitet ist, ist mehrfaches Kontrollieren, ob die Herdplatte aus, die Tür zu, der Fernseher aus ist.
Ab wann wird es krankhaft?
Zum Zwang wird ein solches Kontrollieren ja erst ab einem bestimmten Zeitpunkt. Wenn man in den Urlaub fährt und ein oder zwei Mal prüft, ob der Herd aus ist – davon geht die Welt nicht unter. Deshalb misst der Behandelnde, wie viel Zeit solche Zwangsgedanken am Tag in Anspruch nehmen. Ein Schweregrad von einigen Sekunden ist unproblematisch, wenn Dinge wie Duschen oder das Reinigen der Hände 6 bis 8 Stunden dauern, dann liegt eine Zwangskrankheit vor.
Wenn man morgens nicht mehr rechtzeitig ins Büro kommt, weil man auf dem Weg wiederholt umkehren muss, um immer wieder den Herd zu kontrollieren und wenn man es selbst dann nicht schafft, um acht Uhr im Büro zu sein, obwohl man um vier Uhr aufsteht, dann ist eine Schwelle überschritten.
Das eigene Verhalten wird fremdartig
Zwänge sind quälende Gedanken, Impulse oder Handlungen, die sich dem Betroffenen geradezu aufdrängen. Gegen diesen Impuls, etwa die Tür zu kontrollieren, kann man sich nicht wehren, auch wenn man ihn selbst als unsinnig erlebt. Man erlebt das eigene Verhalten als fremdartig, sich selbst nicht zugehörig. Solange man es selbst als sinnvoll empfindet, ist das normal. Als Arzt das Betäubungsmittelbuch übergründlich zu kontrollieren, ist in Ordnung. Problematisch wird es erst, sobald man eine Anspannung spürt und eine bestimmte Handlung wiederholen muss, obwohl man weiß, dass sie sinnlos ist. Eine Willensentscheidung, etwas besonders gründlich zu machen, Ordnungsliebe, mehrfaches Absichern, ist keine Zwangshandlung.
Wenn Zwänge als Krankheit in Erscheinung treten, ist das meistens früh der Fall, in der Pubertät unter dem 30. Lebensjahr. Die Krankheit verläuft häufig chronisch und ist nicht immer leicht zu behandeln, weder medikamentös, noch psychotherapeutisch. Ziel des Therapeuten aber meistens auch des Patienten selbst ist es, besser mit der Zwangserkrankung leben zu können als diese zur Gänze wegzutherapieren. Die Symptomschwere soll in einer Weise reduziert werden, dass das Leben möglichst unbeeinträchtigt funktioniert.
Außerdem sprechen wir im Podcast über die multifaktoriellen Ursachen von Zwangserkrankungen und das Gefühl von Patienten, sich nicht auf sich selbst verlassen zu können. An der Stelle bringen wir auch Freud ins Spiel und erklären nochmal, was es mit der Theorie über den analen Charakter auf sich hat. Weiter geht es mit der Frage, wie man Zwänge in der Regel behandelt. Wir liefern uns ein Battle und ziehen einen Vergleich zwischen verhaltenstherapeutischen und psychodynamischen Ansätzen.
Text zum PsychCast in Zusammenarbeit mit der DocCheck Redaktion. Zur Podcast-Folge geht es hier