Eine Blumenwiese, ein Strandausflug oder ein Besuch im Zoo. Das können Kinder im Klinikum Dortmund erleben – 270 Grad um sie herum, projiziert auf die Wand. Denn dort wurde ein Raum erschaffen, der den kleinen Patienten die Angst während einer MRT-Untersuchung nehmen soll.
2015 wurde das Kinder-MRT bereits mit dem Fundraisingpreis 2015 sowie dem Deutschen Klinikaward ausgezeichnet. Weitere patientenorientierte Projekte sollen folgen. Wie das Ganze funktioniert, erklärt Direktor Prof. Stefan Rohde. Prof. Stefan Rohde, Ärztlicher Direktor der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie; © Klinikum Dortmund MEDICA.de: Herr Prof. Rohde, inwiefern unterscheidet sich das Kinder-MRT von einem herkömmlichen Gerät? Prof. Stefan Rohde: Technisch gesehen unterscheidet sich der Kernspintomograph nicht wesentlich von einem handelsüblichen Gerät. Was das Kinder-MRT am Klinikum Dortmund außergewöhnlich macht, ist die Raumgestaltung. Der Kernspintomograph steht in einem Raum, den wir mit Hilfe von mehreren Deckenbeamern in eine Traumwelt verwandeln können. Insgesamt stehen uns sechs verschiedene Videoprojektionen zu Verfügung, zum Beispiel eine Weltraum- oder Strandkulisse, ein Zoo mit Tieren oder eine Blumenwiese, die wir gemeinsam mit dem Dortmunder Regisseur Adolf Winkelmann realisiert haben. Das MRT-Gerät selbst wird ebenfalls angestrahlt. Diese Raumgestaltung ist derzeit einmalig auf der ganzen Welt. MEDICA.de: Wie läuft eine solche Untersuchung mit Kindern praktisch ab? Prof. Stefan Rohde: In einem Vorbereitungsraum können sich die Kinder die verschiedenen Videosequenzen bereits im Vorfeld aussuchen, die dann durch das MR-Personal gestartet werden. So wird das Kind schon beim Betreten des MRT-Raumes von der bevorstehenden Untersuchung abgelenkt und in eine Traumwelt entführt. In dem Gerät selbst kann der kleine Patient durch einen Spiegel, der am Kopfteil befestigt ist, aus dem MRT herausschauen und den Film an der Rückseite des Raumes weiter beobachten. Somit erschaffen wir eine fast perfekte Illusion. MEDICA.de: Welche Probleme gab es bei der bisherigen MRT-Untersuchung? Prof. Stefan Rohde: Viele Kinder haben Angst vor dieser Untersuchung, da sie mit einem großen, unbekannten und lauten Gerät konfrontiert werden. Vor allem Krebspatienten müssen sich regelmäßig in solch einen Kernspintomographen legen, um den Therapieerfolg zu kontrollieren. Einige Kinder haben zudem Platzangst. Die größte Herausforderung für die Kinder besteht darin, während der etwa 20- bis 30-minütigen Untersuchung still zu halten. Dies ist besonders wichtig, um "scharfe" Bilder zu erhalten, mit denen wir Radiologen dann arbeiten können. Dies bekamen wir bisher oft nur hin, wenn wir das Kind in Narkose legten. Mit dem Kinder-MRT wollen wir diese zusätzliche Belastung minimieren und wenn möglich auf eine Narkose zu verzichten. [smartslider3 slider=6] MEDICA.de: Wie werden die Kinder an die bevorstehende Untersuchung herangeführt? Prof. Stefan Rohde: Ein wichtiges Element bei dem Kinder-MRT-Projekt ist das Übe-MRT in der Kinderklinik, an dem die Kinder zunächst spielerisch an die Untersuchung herangeführt werden können. In dem Vorbereitungsraum steht natürlich kein herkömmliches MRT-Gerät, sondern eines aus Kunststoff, aber im Maßstab 1:1. Die Kinder können zusammen mit ihren Eltern die Situation üben. Kinderpsychologen und Sozialpädagogen beobachten das Ganze und können abschließend bewerten, ob das Kind eine Untersuchung im richtigen Gerät ohne eine Narkose schaffen kann. MEDICA.de: Wie nimmt das Gerät den Kindern die Angst und den Stress? Prof. Stefan Rohde: Ich glaube, der entschiedenste Faktor ist, dass man vorab an dem Kunststoff-Modell üben kann, sodass diese unbekannte Situation aufgelöst wird. Und natürlich durch die Ablenkung der Videoinstallation sowie durch die leiseren Geräuschsequenzen. Außerdem haben Patienten durch den Spiegel das Gefühl, dass sie hinten aus dem Gerät wieder herausgeschoben werden. So kommen sie mit dem beengten Platz besser zurecht. Durch die große Öffnung – von 70 Zentimetern, bei vielen Geräten sind es meist nur 55 Zentimeter Durchmesser – können sich Eltern zusätzlich zu ihren Kindern legen und sie beruhigen. Gerade sehr kleine Kinder lassen sich von der Videoinstallation nicht ablenken. MEDICA.de: Eignet es sich nur für Kinder? Prof. Stefan Rohde: Das Konzept ist auf jeden Fall für auch für erwachsene Patienten mit Klaustrophobie, Demenz oder Desorientierung geeignet, weil man auch Erwachsene durch die Videoprojektion ablenken kann. Wir nutzen das Gerät daher auch in Einzelfällen für erwachsene Patienten. MEDICA.de: Welche Bilanz können Sie nach Inbetriebnahme ziehen? Prof. Stefan Rohde: Unsere Bilanz ist durchweg positiv. Wir können bereits auf 40 bis 50 Prozent der Narkosen von Kindern im Alter bis zu zehn Jahren verzichten. Die Kinder kommen gerne zu unseren Untersuchungen, das war vorher nicht der Fall. Auch die Eltern nehmen das Kinder-MRT positiv an. Meist sind sie besorgter als ihre Kinder und freuen sich, dass die bevorstehende Untersuchung viel entspannter ablaufen kann. Das Interview wurde geführt von Lorraine Dindas. MEDICA.de
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