„Hilfe, Hilfe! Warum hilft mir denn keiner?!“, schallt es über den nächtlichen Flur. In Zimmer 3 liegt Gerda aus dem Pflegeheim. Die Tür zu ihrem Zimmer steht extra weit auf. Ebenfalls aufgebracht: Herr Boll aus dem Nebenzimmer, der versucht, den Fängen seiner Bettgitter zu entkommen. Auch die Türen von Zimmer 4 und 5 stehen auf.
Gleiches Spiel, ähnlicher Gesang, ähnliche Tonart, anderer Rhythmus. Eine weitere Patientin steht mit den geschlossenen Bettgittern vor dem Stationsstützpunkt. Damit die Pflegekraft, die die Tabletten richtet und auch noch für eine weitere Station zuständig ist, einen Blick auf sie werfen kann.
Diese Pflegekraft, die für die 30 Patienten heute Nacht zuständig ist, springt von einer Tür zu nächsten. Als sie mich sieht, blickt sie erleichtert: „Bitte, Lieschen, tu was. Der Herr Boll aus Zimmer 4 steigt die ganze Zeit über seine Bettgitter. Ich kann ihn nicht auch noch auf den Flur stellen. Können wir ihn bitte fixieren? Er hat sich mal wieder seine Verweilkanüle gezogen und aus dem Katheter fließt es rot, weil er die ganze Zeit versucht, ihn zu ziehen. Jetzt ist es fast Mitternacht und er hat noch nicht einmal seine Abenddosis Antibiotikum für die Lungenentzündung bekommen."
Bettgitter – ein unüberwindbares Hindernis
Die Patientin auf dem Flur schlägt um sich und versucht, über die Bettgitter zu steigen. Aufgrund ihrer dünnen Beine bleibt sie immer wieder in den Bettgittern hängen. Sie versucht mich zu beißen, als ich sie bitte, sich wieder hinzulegen. Wenn sie so weitermacht, bricht sie sich noch mehr als ihren Oberschenkel, den wir gestern versorgt haben. Zum Glück hat sie noch eine Verweilkanüle. Tabletten oder einen Saft nimmt sie freiwillig nicht mehr zu sich.
Die Situation bei Herrn Boll stellt sich ähnlich dar. Nur, dass er schon zwischen den Bettgittern hängt. Er gibt rasselnde Geräusche von sich, seine Atmung ist doppelt so schnell wie meine, seine Sauerstoffbrille liegt auf dem Boden und den Katheter hat er sich mittlerweile gezogen.
Ich brauche Hilfe von der Intensivstation
Während Zimmer 3 und 5 ihren Hilfe-Gesang fortsetzen, die Patientin auf dem Gang wieder munter wird und Zimmer 7 und 9 sich über den nächtlichen Lärm beschweren, rufe ich auf der Intensivstation an. Begeisterung. Auf allen Seiten, natürlich nicht durchweg positiv.
Am nächsten Morgen fragt mich der Chefarzt, warum ich ein Intensivbett belegt hätte. Die vielen Kosten für so einen simplen Duokopf. Herr Boll käme heute wieder auf die Normalstation. Ich weiß auch nicht, aber simpel ist anders.